Als Reaktion auf Probleme im Winter und den Ukraine-Krieg plant Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Aufbau einer nationalen Gasreserve. Damit soll sichergestellt sein, dass die Gasspeicher immer ausreichend befüllt sind, wie aus Eckpunkten für ein Gesetz hervorgeht. In der deutschen Wirtschaft wachsen wegen der Abhängigkeit von russischen Rohstoffimporten die Sorgen. Der Ukraine-Krieg könnte den konjunkturellen Aufholprozess nach Einbrüchen in der Corona-Pandemie verzögern. Steigende Preise für Rohstoffe wie Öl könnten die Inflation weiter anheizen und auch Unternehmen belasten.
Deutschland ist vor allem bei Gas und Kohle von russischen Importen abhängig. Der russische Überfall habe schon jetzt Auswirkungen auf die deutsche Energieversorgung, die weiter zunehmen könnten, heißt es in einem am Montag vorgelegten Papier des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Habeck sogar offen für Kohlereserve
Die Energiewirtschaft gehe davon aus, dass sie in diesem Winter ihre Gaslieferverpflichtungen unabhängig von Lieferungen aus Russland erfüllen könne. Die Kohlekraftwerke produzierten plan- und bedarfsgerecht. Engpässe in der deutschen Stromerzeugung gebe es momentan nicht.
Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte dem „Handelsblatt“ auf die Frage, ob er damit rechne, dass Russlands Präsident Wladimir Putin von sich aus ein Lieferembargo verhänge: „Ich schließe nichts mehr aus.“
Im Gegensatz zu einer nationalen Ölreserve gibt es derzeit in Deutschland keine Gas- und Kohlereserve. Das soll sich nun ändern, wie Habeck (Grüne) bereits angekündigt hatte. Das Wirtschaftsministerium legte konkrete Pläne für den Aufbau einer Gasreserve vor. In einem Papier des Ministeriums heißt es, die Gasspeicher in Deutschland seien für eine Versorgung mit Gas in den Wintermonaten essenziell. Sie könnten in Kälteperioden Nachfragespitzen ausgleichen und so eine gleichmäßige Gasversorgung sicherstellen.
Speichervolumen für zwei bis drei Wintermonate
Deutschland verfüge über ein Speichervolumen von rund 24 Milliarden Kubikmeter. Das entspreche ungefähr der Hälfte des Gases, das pro Jahr durch die Gasleitung Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland transportiert werden könne. Dieses Speichervolumen alleine könne Deutschland zwei bis drei durchschnittlich kalte Wintermonate mit Gas versorgen.
Vorgaben zu den Füllständen der Speicher gibt es bisher aber nicht. In diesem Winter seien diese historisch niedrig gewesen. Dies gilt insbesondere für die Speicher des russischen Staatskonzerns Gazprom, wie es heißt. Auch deswegen seien die Preise an den kurzfristigen Handelsplätzen stark gestiegen. Bei Nachfragespitzen sei kaum zusätzliches Gas aus den Speichern angeboten worden: „Eine solche Situation bei den Speichern darf sich im nächsten Winter nicht wiederholen.“
Die deutschen Gasspeicher sollten deswegen „unabhängig von den Betreiberinteressen“ zu Beginn des Winters gefüllt sein. Das Gas solle bei Kälteperioden oder geringen Gasimporten zur Verfügung stehen. Die Betreiber sollen verpflichtet werden, dass die Speicher zum 1. August eines Jahres mit 65 Prozent befüllt sind, zum 1. Oktober zu 80 Prozent, zum 1. Dezember mit 90 Prozent und zum 1. Februar – also zum Ende des Winters und der Heizperiode hin – zu 40 Prozent.
Gesetz soll am 1. Mai in Kraft treten
Der aktuelle Füllstand der Gasspeicher in Deutschland beträgt nach Angaben des Gasspeicherverbands INES knapp 30 Prozent. Die Bundesregierung hatte auf niedrige Stände im Winter bereits mit Maßnahmen reagiert. Das geplante Gesetz zur Gasreserve soll laut dem Papier zeitnah in den Bundestag eingebracht und spätestens im April beschlossen werden, damit es zum 1. Mai in Kraft treten kann. Dies sei nötig, damit das komplette Sommerhalbjahr zur Befüllung der Speicher zur Verfügung stehe.
Bei den Maßnahmen geht es vor allem darum, sich besser auf den kommenden Winter vorzubereiten. In der deutschen Wirtschaft wachsen aber aktuell mit Blick auf die kommenden Wochen und Monate die Sorgen vor den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs.
Bereits vor dem Krieg hatten hohe Energie- und Rohstoffpreise sowie Lieferengpässe den Aufholprozess der Wirtschaft gebremst. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Peter Adrian, warnte vor Lieferverzögerungen bei Autos. Er sagte der Funke Mediengruppe: „Beim Palladium ist Russland hinter Südafrika die Nr. 2 auf dem Weltmarkt. Wenn das nicht mehr aus Russland geliefert werden kann, drohen in einzelnen Wirtschaftssektoren massive Störungen.“ Palladium wird in der Automobilindustrie für den Bau von Katalysatoren benötigt.
Starke Abhängigkeit auch beim Palladium
Bei Palladium habe Russland einen Weltmarktanteil von 40 Prozent, sagte Prof. Hubertus Bardt vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln der Deutschen Presse-Agentur. „Hier drohen weitere Störungen der Lieferkette für die Automobilindustrie.“
Drei Viertel der deutschen Importe aus Russland entfielen auf Gas, Öl und Kohle. Ein weiteres Achtel seien Eisen und Stahl, Kupfer und Kupferprodukte sowie Edelmetalle. Das Handelsniveau mit Russland sei zwar vergleichsweise gering, aber höhere Gas- und Strompreise sowie zusätzliche Lieferkettenprobleme und direkte Einschränkungen für einzelne Unternehmen wirkten ebenfalls als Wachstumsbremsen.
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