Das Leben in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr so stark verteuert wie nie seit der Gründung der Bundesrepublik. Eine rasche Entspannung ist nicht in Sicht, auch wenn die Inflation im Dezember wieder deutlich unter die Zehn-Prozent-Marke rutschte. Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater wertet dies lediglich als „Zwischentief“: „Bis wir wieder richtige Preisstabilität haben, wird es im besten Fall ein bis zwei Jahre dauern.“
Kräftig gestiegene Preise für Energie und Lebensmittel trieben die Inflation im Durchschnitt des Jahres 2022 auf 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag anhand vorläufiger Daten mitteilte.
Um einen ähnlich hohen Wert in der Statistik der Wiesbadener Behörde zu finden, muss man weit zurückblättern: 1951 wurde für die damalige Bundesrepublik eine Teuerungsrate von 7,6 Prozent verzeichnet. Allerdings wurde die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert. Auch im wiedervereinigten Deutschland gab es bislang nie so eine hohe Inflationsrate wie 2022. Im Jahr 2021 hatten die Verbraucherpreise in Deutschland im Schnitt um 3,1 Prozent angezogen.
Höhere Teuerungsraten schränken Kaufkraft ein
Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Der finanzielle Spielraum der Menschen schrumpft, Einkommenszuwächse werden von der Inflation aufgezehrt.
Zum Jahresende 2022 verlor der Preisauftrieb in Deutschland auf hohem Niveau an Tempo. Der Schätzung des Bundesamtes zufolge lagen die Verbraucherpreise im Dezember um 8,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Im November hatte die Jahresteuerungsrate noch bei 10 Prozent gelegen, im Oktober war der Rekordstand von 10,4 Prozent erreicht worden. Von November auf Dezember 2022 sanken die Verbraucherpreise nach Berechnungen der Statistiker um 0,8 Prozent.
„Eine Trendwende ist das aber nicht, weil vor allem der staatliche Energierabatt für den Inflationsrückgang gesorgt hat“, ordnete DZ-Bank-Analyst Christoph Swonke ein. Die Inflation dürfte nach seiner Einschätzung im Januar und Februar nach dem Wegfall der Einmalentlastung wieder zulegen. Von März an werde die Gas- und Strompreisbremse die Preise dann erneut dämpfen.
Inflationsziel der EZB nicht erreichbar
Trotzdem dürfte das Inflationsniveau nach Einschätzung von Volkswirten auch 2023 sowohl in Deutschland als auch im Euroraum meilenweit vom Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) entfernt bleiben: Die Notenbank strebt mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent im Euroraum an.
Auch Ökonom Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hält eine Rückkehr zur Preisstabilität in diesem Jahr für unmöglich: „Die Inflation in Deutschland ist schon längst nicht mehr nur eine Inflation der Energiepreise, sondern hat fast alle Güter und Dienstleistungen erfasst.“ Instrumente wie die Gaspreisbremse linderten letztlich nur Symptome, meint Heinemann.
Der deutsche Staat versucht, Unternehmen und Verbraucher mit Milliardenhilfen zu entlasten. Im laufenden Jahr sollen Preisbremsen für Strom und Gas die Folgen der gestiegenen Kosten für private Haushalte und Firmen abfedern. Im Dezember übernahm der Bund einmalig die Kosten für die Abschlagzahlung für Gas- und Fernwärmekunden. Mieter ohne eigene Versorgerverträge erhalten die Entlastung erst später über die Nebenkostenabrechnung.
Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung rechnet zumindest damit, dass „wir auf absehbare Zeit in Deutschland nun keine zweistelligen Inflationsraten mehr sehen dürften“ - solange es keinen neuen, heftigen Energiepreisschock gebe.
Energie und Lebensmittel mit höchster Teuerungsrate
Preistreiber sind seit Monaten Energie und Lebensmittel, die sich sprunghaft verteuerten. Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe haben die bereits angespannte Lage verschärft. Das treibt auch die allgemeine Teuerung.
Für Energie mussten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Dezember 24,4 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Der Anstieg der Energiepreise verlangsamte sich damit. Im November kostete Energie noch 38,7 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Nahrungsmittel verteuerten sich im Dezember binnen Jahresfrist um 20,7 Prozent.
Mit Zinserhöhungen versucht die EZB seit Sommer 2022, die Inflation im Euroraum einzudämmen. Denn wenn Kredite teurer werden, bremst das die Nachfrage und kann so hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Zugleich jedoch sind höhere Zinsen eine Bürde für die ohnehin durch Kriegsfolgen geschwächte Wirtschaft.
Die EZB sieht sich nach vier Zinserhöhungen in Folge im abgelaufenen Jahr und einem Leitzins von inzwischen 2,5 Prozent noch nicht am Ende ihres Einsatzes gegen die rekordhohe Inflation, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der letzten Sitzung der Notenbank im Jahr 2022 Mitte Dezember klarmachte: „Wir müssen eine längere Strecke gehen.“
dpa
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