Die USA und Taiwan haben China eine Eskalation der Spannungen um die demokratische Inselrepublik vorgeworfen und zur Zurückhaltung aufgerufen. In dem Sturm der Kritik demonstrierten China und Russland am Freitag den Schulterschluss, beschrieben sich als wahre Hüter des Völkerrechts. Für Wirbel könnte eine Reise des Menschenrechtsausschusses des Bundestags sorgen: Die Abgeordneten wollen Ende Oktober nach Taiwan reisen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr.
Die kommunistische Führung lehnt solche offiziellen Kontakte zu Taiwan ab, weil sie die Insel für sich beansprucht. Peking sieht das selbst regierte Taiwan als Teil der Volksrepublik an und droht mit einer Eroberung. Die 23 Millionen Taiwaner hingegen verstehen sich als unabhängig. Als Reaktion auf die Visite der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan hatte China am Dienstag großangelegte Manöver gestartet. Es war die ranghöchste Visite aus den USA seit einem Vierteljahrhundert.
Scharfe Kritik an Pekings Raketentests und Militärübungen
US-Außenminister Antony Blinken warf China vor, mit den Raketentests und Militärübungen den Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße ändern zu wollen. Bei dem Treffen der südostasiatische Staatengemeinschaft Asean im kambodschanischen Phnom Penh sagte Blinken, es gebe keine Rechtfertigung für die militärischen Provokationen nach dem friedvollen Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan, wie ihn ein westlicher Vertreter laut Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte.
Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen nannte die Manöver und Raketenübungen unverantwortlich. In einer Videoansprache forderte die Präsidentin die chinesische Führung nachdrücklich zur Vernunft und Zurückhaltung auf. Taiwan werde die Spannungen nicht eskalieren, sondern wolle den Status quo bewahren. Die Präsidentin dankte der G7-Gruppe der sieben führenden Industrienationen, zu der auch die Europäische Union gehört, für deren Unterstützung.
Die G7 hatte ihre Sorge geäußert und betont, es gebe keinen Grund dafür, einen Besuch als Vorwand „für aggressive militärische Aktivitäten“ zu benutzen. In Peking wurden Botschafter der EU-Länder und Japans sowie der EU-Vertreter ins Außenministerium zitiert, wo ihnen ein formeller Protest gegen die G7-Erklärung übergeben wurde. Deutschland hat gegenwärtig den Vorsitz in der G7 inne.
Chinesische Reaktion auf Taiwan-Reise des Menschenrechtsausschusses erwartet
Weitere Irritation mit Peking werden durch den länger geplanten Besuch des Menschenrechtsausschusses des Bundestages in Taiwan erwartet. Die Reise soll zwischen dem 22. und 30. Oktober stattfinden und auch nach Japan und in die chinesische Sonderverwaltungsregion Hongkong gehen, wie dpa von Abgeordneten erfuhr. An der Reise werden voraussichtlich Abgeordnete aller sechs Fraktionen teilnehmen.
Proteste Chinas wären für den CDU-Politiker Michael Brand kein Grund, von der Reise Abstand zu nehmen. Chinas Führung müsse acht geben, „nicht nur noch zum Drohungen speienden Drachen“ zu werden. „Etwas mehr asiatische Disziplin wäre angebracht“, sagte Brand. Man werde die Demokratien dieser Welt trotz aller Drohgebärden nicht im Stich lassen - im Gegenteil: „Wenn wir uns selbst ernst nehmen, dann müssen wir China endlich ernst nehmen und die Bedrohung zurückweisen.“
Kritik an den USA - Unterstützung für Russland
Auf dem Asean-Treffen in Phnom Penh warf Chinas Außenminister Wang Yi den USA seinerseits „Provokationen“ und eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. Unterstützung fand Chinas Chefdiplomat bei seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschrieb Lawrow bei ihrer Begegnung Moskaus Allianz mit Peking als „Stützpfeiler“ des Völkerrechts, wie die Agentur Interfax zitierte.
Die bis Sonntag laufenden Manöver in sechs Meeresgebieten rund um Taiwan zielen auf eine See- und Luftblockade und dienen der Vorbereitung auf eine mögliche Invasion. Es ist die bislang größte Machtdemonstration Chinas seit Jahrzehnten. Die US-Regierung warf China eine Überreaktion und „bedeutsame Eskalation“ vor.
Taiwans Militär wollte japanische Berichte nicht bestätigen, wonach Raketen auch über die Insel geflogen seien. Japan protestierte dagegen, dass fünf Raketengeschosse in Japans nahe gelegener ausschließlicher Wirtschaftszone (AWZ) niedergegangen waren. China hat elf Raketen vom Typ „Dongfeng“ (Ostwind) gestartet, wie Taiwans Militär berichtete. Chinas Volksbefreiungsarmee nannte die geübten „Präzisionsschläge“ einen vollen Erfolg.
Zum Abschluss ihrer Asienreise traf die US-Spitzenpolikerin Pelosi in Tokio mit Japans Regierungschef Fumio Kishida zusammen. Zuvor hatte sie neben Taiwan auch Singapur, Malaysia und Südkorea besucht.
dpa
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