15.02.2022, Russland, Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) gestikuliert neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach einem mehrstündigen Vier-Augen-Gespräch im Kreml. (dpa)
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Russland hat inmitten der Ukraine-Krise unter anderem mit einem angekündigten Teilrückzug von Truppen Zeichen der Entspannung ausgesandt. Präsident Wladimir Putin betonte am Dienstag bei seinem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz in Moskau, dass Russland keinen neuen Krieg in Europa wolle. „Dazu, ob wir das wollen oder nicht: Natürlich nicht!“, sagte Putin im Kreml nach dem dreistündigen Gespräch. Scholz sprach von einem deutlichen Spielraum für Verhandlungen. „Die diplomatischen Möglichkeiten sind bei weitem nicht ausgeschöpft.“ Derweil sorgte eine Entscheidung der russischen Staatsduma für neuen Unmut.

Putin betonte erneut Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien
Stunden vor dem Antrittsbesuch von Scholz in Moskau begann Russland nach eigenen Angaben mit dem Abzug von Truppen im Süden und Westen des Landes nach Abschluss einzelner Manöver. Andere Übungen liefen aber weiter - darunter im Nachbarland Belarus. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, betonte, dass Russland einen „Komplex von groß angelegten Maßnahmen zur operativen Ausbildung von Truppen und Streitkräften“ fortsetze.
Scholz sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin von einem „guten Zeichen“. Er hoffe, dass ein weiterer Truppenabzug folge. „Wir sind bereit, gemeinsam mit allen Partnern und Verbündeten in der EU und der Nato und mit Russland über ganz konkrete Schritte zur Verbesserung der gegenseitigen oder noch besser der gemeinsamen Sicherheit zu reden.“
Der Kremlchef erklärte seinerseits einmal mehr die Bereitschaft zu Gesprächen über Sicherheitsgarantien für Moskau mit Washington und dem westlichen Militärbündnis. Dazu gab es zuletzt mehrere hochrangige Gespräche - allerdings ohne greifbare Ergebnisse.
Zugleich forderte Putin im Konflikt um die Ukraine den Westen auf, auf die Führung in Kiew Druck auszuüben, damit diese den Friedensplan von Minsk für die Ostukraine umsetzt. Der russische Präsident hatte zuletzt mehrfach auch vor einer Aufnahme der Ukraine in die Nato gewarnt, weil damit ein Krieg drohe - etwa wenn Kiew sich die von Russland 2014 einverleibte Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit militärischer Gewalt zurückholen wolle. Konflikt um Nato-Ausdehnung
Schon seit Jahren werde versprochen, dass sich die Nato nicht ausdehne, behauptete Putin. Russland fordert schriftliche Garantien, dass dies nicht passiert. Die Frage einer Aufnahme der Ukraine in das Bündnis müsse jetzt entschieden werden. Putin wies einmal mehr zurück, dass die Nato ein friedliches Verteidigungsbündnis sei.
Die USA und Europa hatten auf die russischen Manöver äußerst besorgt reagiert. Die USA befürchten, dass die Truppenbewegungen sowie ein Aufmarsch zehntausender Soldaten entlang der ukrainischen Grenze der Vorbereitung eines Krieges dienen. Russland weist das zurück.
Scholz drohte erneut mit weitreichenden Konsequenzen bei einem militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. „Wir jedenfalls wissen, was dann zu tun ist“, betonte er. „Und mein Eindruck ist, dass das auch alle anderen ganz genau wissen.“ Zur Rolle von Nord Stream 2 in dem Konflikt sagte Scholz: „Was die Pipeline selber betrifft, wissen alle, was los ist.“ Anders als nach dem Treffen mit US-Präsident Joe Biden sprach Scholz in Moskau auch den Namen der umstrittenen Gaspipeline in der Ostsee aus. Auch Nawalny, Deutsche Welle und RT DE belasten Beziehungen
Der Ukraine-Konflikt dominierte das Treffen - gleichwohl gibt es in den bilateralen Beziehungen viele Streitthemen. Das Verhältnis der beiden Länder ist auch jenseits der Ukraine-Krise gespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok auf den Putin-Gegner Alexej Nawalny, der nach seiner Genesung in Deutschland in einem russischen Straflager inhaftiert wurde, vergiftet das Verhältnis beider Länder. Nawalny stand parallel zu Scholz' Besuch vor Gericht.
Ein anderes Streitthema ist das Sendeverbot für die Deutsche Welle in Russland. Bei seinem Gespräch mit Scholz sei vereinbart worden, „dass wir uns Gedanken machen, wie das Problem gelöst werden kann“, sagte Putin knapp. Er wolle keine Details nennen, um die Situation nicht zu verkomplizieren. Das Büro der Deutschen Welle in Moskau war geschlossen worden, nachdem Russland ein Sendeverbot erteilt hatte. Der Schritt Russlands ist eine Reaktion auf ein Sendeverbot der deutschen Medienregulierer für das Mitte Dezember gestartete deutschsprachige TV-Programm RT DE des russischen Staatsmediums RT.
Vor seinem Besuch lehnte Scholz es ab, sich von russischer Seite auf Corona testen zu lassen. Stattdessen entschied sich der SPD-Politiker dafür, den für den Zutritt zum Kreml erforderlichen PCR-Test nach seiner Landung in Moskau von einer Ärztin der deutschen Botschaft vornehmen zu lassen. Die russischen Gesundheitsbehörden seien eingeladen worden, bei dem Test dabei zu sein, hieß es aus dem Umfeld des Kanzlers. Ein Testgerät sei aus Deutschland mitgeführt worden. Umstrittene Resolution im russischen Parlament
Noch vor Beginn des Treffens von Scholz und Putin stimmte das russische Parlament mit großer Mehrheit für eine Resolution, der zufolge der Kremlchef über eine Anerkennung der abtrünnigen ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk als „Volksrepubliken“ entscheiden soll. Der Kreml teilte mit, dass die Staatsduma den Willen des russischen Volkes widerspiegele. Aber in der Sache gebe es noch keine Entscheidung, betonte ein Sprecher.
Die Ukraine warnte Russland vor einem solchen Schritt. „Im Falle der Anerkennung tritt Russland de facto und de jure aus den Minsker Vereinbarungen mit allen Begleiterscheinungen aus“, sagte Außenminister Kuleba in Kiew. Der unter deutsch-französischer Vermittlung 2015 vereinbarte Friedensplan von Minsk, der Hauptstadt von Belarus, sieht eine Wiedereingliederung der prorussischen Separatistengebiete in die Ukraine vor - allerdings mit weitreichender Autonomie.

dpa