28.05.2021, Berlin: „Reperationen an Nachfahren statt 'Entwicklungshilfe' an Namibia“ steht auf dem Schild der Teilnehmer an einer Kundgebung nach der Namibia-Vereinbarung der Bundesregierung. (dpa)
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Zu Beginn der Debatte des namibischen Parlaments über das Versöhnungsabkommen mit Berlin zur Aufarbeitung der blutigen deutschen Kolonialgeschichte haben Oppositionspolitiker schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Windhoek erhoben. Das Versöhnungsabkommen mit Deutschland sei „minderwertig“, sagte der Abgeordnete Edson Issacks von der Oppositionspartei LPM am Dienstag.
Issacks beklagte einen Ausschluss ganzer namibischer Bevölkerungsgruppen aus dem Verhandlungsprozess zwischen der deutschen und der namibischen Regierung. Was die Regierung in Windhoek praktiziert habe, sei „Apartheid“, fügte er hinzu. Issacks' Parteikollegin Utaara Mootu warf der Regierung "Verrat" vor.
Ende Mai war bekannt geworden, dass Deutschland die Verbrechen deutscher Kolonialtruppen an den Volksgruppen der Herero und Nama im heutigen Namibia Anfang des 20. Jahrhunderts offiziell als Völkermord anerkennen und die Nachkommen der Opfer um Entschuldigung bitten wird. In dem Versöhnungsabkommen vorgesehen sind außerdem deutsche Wiederaufbauhilfen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Das Geld soll vor allem in den Siedlungsgebieten der Herero und Nama eingesetzt werden. Der Einigung zwischen Berlin und Windhoek waren mehr als fünfjährige Verhandlungen vorausgegangen.

Namibias Ministerpräsidentin Saara Kuugongelwa-Amadhila hatte bei der Eröffnung der Debatte am Dienstag eingeräumt, dass das Versöhnungsabkommen mit Deutschland eine „sensible“ Angelegenheit sei. Namibia dürfe sich in dieser Sache nicht spalten lassen, sondern müsse geeint bleiben. Den Vorwurf, dass Vertreter der Volksgruppen Herero und Nama nicht ausreichend in die Verhandlungen eingebunden gewesen seien, wies Kuugongelwa-Amadhila zurück. Die Nachfahren der Opfer der deutschen Kolonialverbrechen seien „während der Verhandlungen vollständig konsultiert“ worden, betonte sie. Ihre Rede wurde von zahlreichen Zwischenrufen unterbrochen. Der Abgeordnete Josef Kauandenge von der oppositionellen Nudo-Partei erklärte, dass seine Partei die Unterzeichnung des Versöhnungsabkommens nicht unterstützen werde. „Das Abkommen kann von der deutschen und der namibischen Regierung unterzeichnet werden, doch die große Mehrheit der Nama und Herero wird es mit der Verachtung zurückweisen, die es verdient“, sagte er. Wann das Versöhnungsabkommen von Bundesaußenminister Maas und seiner namibischen Amtskollegin unterzeichnet wird, steht noch nicht fest. Namibia - damals Deutsch-Südwestafrika - war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Zwischen 1904 und 1908 wurden unter der deutschen Kolonialherrschaft zehntausende Angehörige der Herero und Nama von Truppen des deutschen Kaiserreichs getötet. Historiker sprechen vom ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts.

AFP