Nach mehr als acht Jahrzehnten als Museum werden ab heute in der Hagia Sophia in Istanbul zum ersten Mal wieder islamische Gottesdienste abgehalten. Anlässlich der Eröffnung nehmen zehntausende Menschen, die sich vor der Moschee versammelt haben, am Freitagsgebet teil.
An der Umwidmungszeremonie und dem Freitagsgebet werden der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, andere Politiker und andere Vertreter der Zivilgesellschaft teilnehmen. Führende Persönlichkeiten und politische Vertreter aus Ländern wie Aserbaidschan, Katar und Libyen werden bei der Eröffnungszeremonie ebenfalls anwesend sein.
Seit den frühen Morgenstunden versammelten sich Menschen mit Gebetsteppichen in der Hand vor dem Gelände der Hagia-Sophia-Moschee. Über Lautsprecher wurden Verse aus dem Koran vorgelesen.
Sicherheitskräfte hatten zuvor die Straßen, die in das Moscheeviertel führen, abgesperrt, um die erwarteten Gläubigen koordinierter unterbringen zu können.
Tags zuvor eröffnete Präsident Erdoğan formell die Hagia Sophia als Gebetshaus. Am Donnerstag enthüllte er das neue Namensschild des berühmten Bauwerks mit der Aufschrift „Große Moschee Hagia Sophia“ (auf Türkisch: „Ayasofya-i Kebir Cami-i Şerifi“).
Die Entscheidung zur Umwidmung der Hagia Sophia zur Moschee erfolgte vor rund zwei Wochen. Ein türkisches Gericht enschied, dass ein Regierungserlass aus dem Jahr 1934, mit dem das Bauwerk in ein Museum umgewandelt wurde, nicht rechtmäßig war. Das ebnete den Weg, die Hagia Sophia wieder als Gebetshaus zu nutzen.
Die Richter entschieden, dass die Hagia Sophia der Fatih-Sultan-Mehmet-Han-Stiftung gehöre. Damit ist die türkische Regierung nicht berechtigt, die Bestimmungen zur Hagia Sophia willkürlich zu ändern. Das geschichtsträchtige Bauwerk wurde zuvor jahrhundertelang als Moschee genutzt.
Die Entscheidung wurde von türkischen Parteien, einschließlich der Opposition, und von der türkischen Gesellschaft weitgehend begrüßt. Kurz nach der Bekanntgabe der Entscheidung versammelten sich vor dem Gebäude Scharen türkischer Bürger, die türkische Fahnen schwenkten und den islamischen Gebetsruf rezitierten.
Verzicht auf Eintrittsgebühren
Türkische Beamte machten wiederholt deutlich, dass das Gebäude, wie alle Moscheen des Landes, für alle Besucher geöffnet sein wird. Außerdem wird für den Besuch der im Jahr 532 gebauten Stätte kein Eintrittsgeld mehr verlangt. Ibrahim Kalın, der Sprecher des türkischen Präsidenten, unterstrich: „Alle unsere großen Moscheen wie die Blaue Moschee, die Fatih- und die Süleymaniye-Moschee stehen sowohl Besuchern als auch Gläubigen offen.“ Trotz alarmierender Rhetorik einiger Medien und ausländischer Staatsvertreter werde die christliche Ikonographie im Inneren der Moschee so erhalten bleiben, wie sie vor ihrer Umwandlung in ein Museum jahrhundertelang von Muslimen geschützt worden sei, fügte der türkische Regierungsvertreter hinzu. Die Verwaltungsaufgaben für die Moschee wurden zwischen der türkischen Direktion für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) und dem Ministerium für Kultur und Tourismus aufgeteilt. Diyanet wird die religiösen Aktivitäten beaufsichtigen, während letzteres weiterhin die Konservierungs- und Restaurierungsprojekte sowie die Verwaltung der in der Moschee befindlichen Reliquien übernehmen wird. Die Hagia Sophia wurde 1453 nach der Eroberung Istanbuls, damals bekannt als Konstantinopel, durch den osmanischen Sultan Mehmet II. in eine Moschee umgewandelt.
Erhalt des historischen Bauwerks
Die Hagia Sophia wurde erstmals im Jahr 532 n. Chr. errichtet und nahm fünf Jahre später ihre heutige Form an. Ironischerweise stellte die riesige Kuppel, für die sie berühmt ist, die größte Schwierigkeit für byzantinische und später osmanische Architekten dar, die mit ihrer Erhaltung beauftragt wurden.
Ein Erdbeben im Jahre 558 n. Chr. ließ die Kuppel einstürzen - das Gebäude wurde während der Plünderung Konstantinopels durch christliche Kreuzritter im Jahre 1202 weiter beschädigt.
Die osmanischen Behörden gewährten der Moschee daher eine großzügige Ausstattung, um sicherzustellen, dass sie dem Test der Zeit standhalten konnte.
Die darauffolgenden osmanischen Sultane unternahmen große Anstrengungen, um sicherzustellen, dass nicht nur das Gebäude als Moschee überlebte, sondern auch die christlichen Wandmalereien und die Ikonographie erhalten blieben.
Der Erhalt und die Restaurierung des Bauwerks erwiesen sich als erfolgreich - die Fresken der Jungfrau Maria sind bis heute erhalten, während sie von arabischen Kalligraphien flankiert werden, die Gott, den Propheten Mohammed und seine vier Kalifen ehren.