Zwei Tage nach seiner Vereidigung als Bundeskanzler bricht Olaf Scholz am Freitag zu seiner ersten Auslandsreise nach Paris und Brüssel auf. In der französischen Hauptstadt wird der SPD-Politiker Präsident Emmanuel Macron treffen, in Brüssel stehen Gespräche mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf seinem Programm.
Scholz hatte schon vor seiner Wahl zum Kanzler angekündigt, dass seine erste Auslandsreise nach Paris zu Macron gehen würde. „Wir treffen uns, um eine gemeinsame Strategie mit Frankreich zu entwickeln“, sagte er am Donnerstagabend auf einer Pressekonferenz. „Das ist der Geist, aus dem heraus Kooperation entsteht, daran arbeiten wir ganz hart.“
Baerbock will an Nein zu Atomkraft festhalten
Macron hatte am Mittwoch in seiner Gratulation an Scholz auf Twitter ebenfalls die deutsch-französische Zusammenarbeit für Europa beschworen. „Das nächste Kapitel werden wir zusammen schreiben. Für die Franzosen, für die Deutschen, für die Europäer“, schrieb er.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) besuchte Paris und Brüssel bereits am Donnerstag. Ein starkes Europa brauche starke deutsch-französische Impulse, sagte auch sie. 100 Prozent Harmonie gab es bei ihrer Visite aber nicht. Baerbock bekräftige ihre Ablehnung der französischen Pläne zur Einstufung von Atomkraft als „grüner“ Energie: „Dass wir zu der Frage Nuklear unterschiedliche Positionen haben, das ist ja bekannt“, sagte sie.
Scholz sagte zu der Frage, die Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels seien überall auf der Welt unterschiedlich. Es gehe darum, „eine Kraft zu schaffen, die es möglich macht, jeweils unterschiedlich auf das gleiche Ziel zuzumarschieren, aber gleichzeitig auch etwas zu schaffen, auf das man sich miteinander verständigen kann“.
Der erste Antrittsbesuch von Kanzlern und Kanzlerinnen geht traditionell nach Frankreich. Gerhard Schröder war 1998 sogar schon vor seiner Wahl zum Regierungschef in Paris. 2005 flogen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gemeinsam nach Paris und dann nach Brüssel.
Scholz fliegt auch nach Polen
Diesmal ist Baerbock dem Regierungschef Scholz mit ihren Antrittsbesuchen einen Schritt voraus. Die Außenministerin ist am Freitag in Polen, dem zweitgrößten Nachbarland Deutschlands nach Frankreich. Scholz wird in Warschau erst am Sonntag erwartet.
Wie gut die Zusammenarbeit der beiden in der Außenpolitik funktionieren wird, ist eine der spannenden Fragen für die ersten Monate der ersten Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene. So fordert Baerbock einen härteren Kurs gegenüber China. Merkel hatte eher auf Dialog gesetzt, Scholz hat sich noch nicht positioniert. Vor allem die USA dringen darauf, dem „Systemrivalen“ China mit mehr Härte zu begegnen.
Auch in der Russland-Politik gibt es Differenzen. Die Grünen lehnen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland klar ab. Auch hier ist noch offen, wie Scholz sich verhält - gerade mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch in der Nähe der ukrainischen Grenze.
SPD will Außenpolitik aus Kanzleramt heraus steuern
„Die Regierung arbeitet gemeinsam für unser Land, und wir werden auch gemeinsam agieren, auch in den Fragen der Außenpolitik oder der Europapolitik“, hat Scholz beteuert. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte zuvor mit der Äußerung, die deutsche Außenpolitik werde „insbesondere im Kanzleramt“ gesteuert, die Grünen gegen sich aufgebracht. Der Außenpolitiker Omid Nouripour wetterte gegen eine überkommene „Koch-Kellner-Logik“.
Scholz hat insgesamt Kontinuität in der deutschen Außenpolitik versprochen und das beim G20-Gipfel im Oktober zusammen mit Merkel auch demonstriert. Beide traten dort quasi als Doppelspitze auf und absolvierten die wichtigsten Termine unter anderem mit US-Präsident Joe Biden gemeinsam.
Es gibt neben der Russland- und China-Politik aber weitere Felder, bei denen es schwierig werden könnte mit dem nahtlosen Übergang zwischen den beiden Regierungen. Dazu gehören zwei Nato-Themen, die Generalsekretär Stoltenberg am Donnerstag ansprechen könnte. Das Ziel des Bündnisses, dass jeder Mitgliedstaat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgibt, ist im Koalitionsvertrag nicht erwähnt. Und ein Bekenntnis zur Beteiligung Deutschlands an der nuklearen Abschreckung der Nato, also zur weiteren Stationierung von US-Atombomben in Deutschland, ist auch nicht enthalten. Bei beiden Themen sind nicht nur die Grünen, sondern auch Teile der SPD für eine Kurskorrektur.