Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise suchen die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock und ihre Kollegen der führenden Wirtschaftsmächte (G7) eine gemeinsame Linie gegenüber Russland. Die G7-Gruppe teile Werte wie Demokratie, Menschenrechte und den Einsatz für eine internationale Ordnung, die auf Regeln und nicht auf dem Recht des Stärkeren beruhe, sagte Baerbock schon am Freitagabend vor dem Treffen in Liverpool mit Blick auf Russland und auch China. Man teile aber auch das Wissen, „dass uns diese Werte nicht geschenkt worden sind, sondern dass wir uns für diese einsetzen und auch bereit sein müssen, sie zu verteidigen“. Deutschland übernimmt zum Jahreswechsel von Großbritannien den Vorsitz der Gruppe, zu der neben Frankreich und den USA auch Italien, Japan und Kanada gehören. Die ersten Arbeitssitzungen waren bestimmt von den großen Krisen der Welt - Russland, China und von der Sorge über das iranische Atomprogramm.
Politischer Boykott der Olympischen Winterspiele
Auch die Frage eines politischen Boykotts der Olympischen Winterspiele in China vom 4. bis 20. Februar dürfte in Liverpool eine Rolle spielen. Dabei geht es nicht um einen sportlichen Boykott, sondern um die diplomatische Ebene - also die Frage, ob hochrangige Politiker als Besucher anreisen. Dem autoritär regierten Land werden von vielen Seiten Menschenrechtsverletzungen, vor allem gegen Minderheiten wie den muslimischen Uiguren, vorgeworfen. Großbritannien und die USA zeigten sich weiterhin beunruhigt wegen der russischen Militärbewegungen im Grenzgebiet zur Ukraine. Bei einem Gespräch vor dem G7-Treffen seien sich die britische Außenministerin Liz Truss und ihr US-Amtskollege Antony Blinken einig über ihre Unterstützung für die Ukraine gewesen, teilte ein britischer Außenamtssprecher mit. Beide hätten ihre tiefe Besorgnis über den Aufbau russischer Truppen an der ukrainischen Grenze zum Ausdruck gebracht. Jegliches Eindringen Russlands würde einen strategischen Fehler darstellen, der ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Baerbocks erstes Gespräch mit Amtskollegen Blinken
Baerbock betonte nach einem Gespräch mit Blinken am Freitagabend am Samstag bei Twitter, sie freue sich darauf, auf der transatlantischen Partnerschaft und Freundschaft aufzubauen, um etwa die Klimakrise anzugehen und die regelbasierte internationale Ordnung zu stärken. Blinken schrieb dort, er freue sich auf eine enge Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Klimakrise, der Corona-Pandemie und den Herausforderungen für Demokratie und Menschenrechte.
Am Samstag kam Baerbock am Rande der G7-Runde zu einem Kennenlerntreffen mit ihrem italienischen Amtskollegen Luigi Di Maio zusammen. Für den Nachmittag waren Gespräche mit dem japanischen Außenminister Yoshimasa Hayashi sowie ihrer kanadischen Amtskollegin Melanie Joly geplant. Am Sonntagnachmittag wollte Baerbock zu einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Brüssel reisen. Dort hatte sie sich im Rahmen einer Serie von Antrittsbesuchen in Paris, Brüssel und Warschau bereits am Donnerstag mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell getroffen.
Corona-Pandemie ebenfalls G7-Thema
Die Außenminister wollten in Liverpool teils gemeinsam mit den G7-Entwicklungsministern unter anderem über die weltweite Verteilung von Corona-Impfstoffen diskutieren. Aus Deutschland wollte die neue Ressortchefin Svenja Schulze (SPD) anreisen. Die G7 als reichste Staaten der Erde hätten „eine besondere Verantwortung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie und des Klimawandels, und sie müssen globale Solidarität mit den Ärmsten zeigen“, forderte sie vor ihren Gesprächen. Gegen die Corona-Pandemie helfe langfristig nur eine gerechte globale Impfstoffverteilung.
Das G7-Außenministertreffen ist das zweite unter britischem Vorsitz in diesem Jahr - allerdings das erste für Baerbock und die britische Gastgeberin Liz Truss. Truss ist erst seit einer Kabinettsumbildung vor einigen Monaten im Amt. Vor dem Auftakt der Gespräche hatte Truss gefordert, die G7-Staaten müssten ihre Beziehungen sowohl im Handel, als auch in Sicherheits- und Investmentfragen vertiefen und sich unabhängiger von Ländern wie China machen.