Niedersachsen, Nordhorn: Ein Beamter der Bundespolizei beobachtet durch ein Fernglas an der Grenze zu den Niederlanden den Verkehr. (dpa)
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Der ehemalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat Deutschland am Samstag wegen der in der Corona-Krise verhängten Einreisebeschränkungen an der Grenze zu Luxemburg kritisiert.
„Dass Deutschland seine Grenzen zu einem Land wie dem meinen einfach geschlossen hat, zu Luxemburg, wohin 200.000 Deutsche jeden Tag zur Arbeit pendeln, das hat einen sehr bitteren Nachgeschmack hinterlassen“, sagte Juncker mehreren europäischen Zeitungen.
Deutschland kontrolliert wegen der Corona-Pandemie seit Mitte März an den Grenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnort und Aufenthaltsberechtigung in Deutschland, Berufspendler und Lastwagenfahrer, die wichtige Güter ins Land bringen, einreisen - außerdem EU-Bürger, die auf dem Weg in ihre Heimat Deutschland durchqueren müssen.
Juncker äußerte sein Unverständnis darüber, dass „Staaten, die vor 25 Jahren das erste Schengener Abkommen unterzeichnet haben, über Nacht auf die Idee kommen, dass eine simple Grenzschließung reicht, um einer so großen Herausforderung zu begegnen“.
Der frühere Kommissionspräsident forderte dem Bericht zufolge, der Gesundheitsschutz - speziell bei Epidemien - müsse künftig in die Zuständigkeit der EU fallen. Die EU-Kommission brauche hier wie in anderen Bereichen das Initiativrecht. „Ich weiß, dass dies eine Änderung der EU-Verträge nötig macht“, sagte Juncker. „Aber es ist angesichts der jüngsten Erfahrungen offensichtlich.“
Maas verteidigt nationale Alleingänge
Unterdessen verteidigte Bundesaußenminister Heiko Maas nationale Alleingänge in der Europäischen Union zu Beginn der Corona-Krise. „Ich halte es für richtig, dass jedes Land zuerst nationale Maßnahmen ergriffen hat“, sagte der SPD-Politiker dem „Spiegel“. „Das ist wie im Flugzeug: Jeder sollte sich im Notfall erst seine Maske aufsetzen, bevor er anderen hilft. Wenn wir unsere nationalen Hausaufgaben nicht gemacht hätten, hätten wir auch niemanden außerhalb unseres Landes unterstützen können.“ Die Reihenfolge sei richtig gewesen.
Deutschland hatte Anfang März ein Exportverbot mit wenigen Ausnahmen erlassen, um Schutzkleidung für den deutschen Bedarf zu sichern. Das war in der EU - vor allem in dem zu diesem Zeitpunkt schon stark von der Corona-Krise gezeichneten Italien - auf heftige Kritik gestoßen. Nach zwei Wochen wurde das Verbot wieder aufgehoben.
Maas betonte, dass Deutschland inzwischen sieben Tonnen Hilfsgüter an Italien geliefert habe und zahlreiche italienische Covid-19-Patienten in deutschen Krankenhäusern behandelt worden seien. Damit habe man ein klares Signal gesetzt: „Wir stehen an der Seite Italiens.“
Die internationale Zusammenarbeit wird nach Ansicht des Ministers in der Krise an Bedeutung zunehmen. „Wenn wir die Instrumente, die der Multilateralismus bietet, nicht nutzen, wird es viel länger dauern, die Krise zu überwinden“, sagte er. „Wer das nicht kapiert, wird länger leiden.“
Maas verwies darauf, dass die von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Handelskonflikte nicht gerade zu einer Verbesserung internationaler Lieferketten beigetragen hätten, die jetzt für die Versorgung der USA mit Schutzausrüstung gebraucht würden. „Es zeigt sich einmal mehr: Wer internationale Verbindungen ausdünnt, zahlt dafür einen hohen Preis.“

dpa