Chance zum Aufatmen für Premierminister Boris Johnson: Die Londoner Polizei will den mit Spannung erwarteten Bericht über Lockdown-Partys im britischen Regierungssitz in wesentlichen Teilen schwärzen lassen. „Wir haben darum gebeten, in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden“, hieß es in einer Mitteilung von Scotland Yard am Freitag. Damit solle „jegliche Voreingenommenheit“ bei den Ermittlungen verhindert werden, hieß es zur Begründung.
Die Polizei hatte am Dienstag überraschend angekündigt, in der Sache zu ermitteln. Die Veröffentlichung des internen Regierungsberichts durch die Spitzenbeamtin Sue Gray wurde dadurch verzögert - obwohl die Polizei am Freitagabend nachschob, nicht für die Verzögerung verantwortlich zu sein. Eigentlich wurde schon in dieser Woche mit dem vollständigen Bericht gerechnet. Nun ist fraglich, ob er überhaupt noch vor Abschluss der polizeilichen Ermittlungen ans Tageslicht kommt.
Für den seit Wochen heftig unter Druck stehenden Johnson sind das gute Neuigkeiten. Der interne Bericht zu mehreren Events in dessen Amtssitz 10 Downing Street und anderen Regierungsgebäuden gilt als höchst brisant. Berichten zufolge sollen Regierungsmitarbeiter und auch Johnson selbst während der Pandemie mit Feiern die eigenen Regeln für Kontaktbeschränkungen missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen den Premier als wahrscheinlich. Doch bis das geklärt ist, dürften nun Wochen vergehen.
Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte ist lang: Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis des langjährigen Queen-Gatten Prinz Philip. Grays Bericht sollte klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat.
Johnson hatte bislang so gut wie alle Fragen dazu jedoch unter Verweis auf die laufenden internen Untersuchungen abgeschmettert und jegliche Kenntnis von Lockdown-Verstößen abgestritten. Nun gewinnt er weiter wertvolle Zeit, denn ein stark zensierter Bericht dürfte ihn wohl kaum gefährden. Die Gefahr einer Revolte in seiner Fraktion scheint damit vorerst abgewendet.
Geforderte Einschränkungen unter Experten umstritten
Einige Rechtsexperten bezweifelten jedoch, dass die von der Polizei geforderten Einschränkungen notwendig sind. „Das ist absoluter Quatsch von der Met Police“, schrieb Nazir Afzal, der ehemalige Chef-Staatsanwalt im Nordwesten Englands, zu der Mitteilung der Polizei auf Twitter. Ein rein faktischer Bericht von Sue Gray könne den polizeilichen Ermittlungen überhaupt nicht vorgreifen, so Afzal weiter und fügte hinzu: „Sie müssen nur den Beweisen folgen, von denen der Bericht ein Teil sein wird.“ Andere Experten äußerten hingegen Verständnis für die Einwände der Metropolitan Police. „Eine strafrechtliche Ermittlung muss den höchsten Standards verfahrensrechtlicher Fairness genügen“, sagte Kronanwalt Alex Bailin der BBC.
Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei bezeichnete die Regierung als „gelähmt“ durch die anhaltende Affäre. Er wolle den vollständigen Sue-Gray-Bericht sehen. Und die Ermittlungen müssten so bald wie möglich abgeschlossen werden, sagte er der BBC.
Der konservative Abgeordnete Christopher Chope warf der Polizei sogar vor, ihre Position zu missbrauchen, um sich „in Staatsangelegenheiten einzumischen“. Die Polizei teilte am Abend mit, alle angeforderten Unterlagen vom Cabinet Office erhalten zu haben.
Erstmals äußerte sich auch die unter anderem auf Johnson Betreiben gestürzte Ex-Premierministerin Theresa May zu der Affäre. Sie sei wütend über die mutmaßlichen Lockdown-Feiern, schrieb sie einem Bericht des Lokalblatt „Maidenhead Advertiser“ zufolge an Wähler in ihrem Wahlkreis. Niemand stehe über dem Gesetz.
29 Jan. 2022
Johnson im Glück: Polizei bittet um Zensur von Partygate-Bericht
Der Bericht über die Lockdown-Party im britischen Regierungssitz wird mit Spannung erwartet. Nun wurde bekannt, dass die Londoner Polizei das Dokument in wesentlichen Teilen schwärzen lassen will. Chance zum Aufatmen für Premierminister Johnson.
dpa
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