Selenskyj will Getreideabkommen auch ohne Moskau fortzusetzen / Photo: Reuters (Reuters)
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Nach dem Auslaufen des Getreideabkommens ist die Zukunft von Agrarexporten der Ukraine auf dem Seeweg über das Schwarze Meer unklar. Die von den Vereinten Nationen und Türkiye vermittelte Vereinbarung endete nach knapp einem Jahr am späten Montagabend offiziell, weil Moskau eine Verlängerung ablehnte. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte, die für die Welternährung wichtigen Exporte in Kooperation mit den UN und Türkiye fortzusetzen: „Die Schwarzmeer-Getreideinitiative kann und sollte weitergehen - wenn ohne Russland, dann ohne Russland.“

International wurde das russische Nein zu einer Verlängerung scharf kritisiert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres reagierte enttäuscht. Die Entscheidung werde weltweit bedürftige Menschen treffen, teilte Guterres in einer Presseerklärung in New York mit.

Die Vereinbarung zwischen Russland und den Vereinten Nationen über Nahrungsmittel- und Düngemittelexporte seien „Lebenselixier und Hoffnungsschimmer“ in einem schwierigen Umfeld für die Welternährungssicherheit. „Die heutige Entscheidung Russlands ist ein Schlag für alle Menschen, die Hilfe benötigen“, fügte Guterres hinzu. In diesem Zusammenhang erinnerte Guterres auch an die Bemühungen der türkischen Regierung.

Türkiye habe an vorderster Front gestanden, als es darum ging, Russland zu ermutigen, sich dem Abkommen anzuschließen, sagte Matthew Miller, Sprecher des US-Außenministeriums. Wenn es darum gehe, die Nahrungsmittelversorgung der ganzen Welt zu sichern, stehe Türkiye „an vorderster Front“, so Miller. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan stellte am Montag in Aussicht, mit Kremlchef Wladimir Putin über eine Wiederaufnahme des Abkommens zu reden.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres (DPA)

Kritik aus Deutschland und den USA

Die Nichtverlängerung des Abkommens durch Moskau zeige, „dass Russland sich nicht verantwortlich fühlt für ein gutes Miteinander in der Welt“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Brüssel. Scholz sprach von einer „schlechten Botschaft“. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte die russische Ablehnung ebenfalls scharf. Putin setze „in seinem brutalen Angriffskrieg“ gegen die Ukraine „erneut Hunger als Waffe gegen die ganze Welt“ ein, sagte sie in New York.

US-Außenminister Antony Blinken sprach von einem „skrupellosen“ Vorgehen. Die Entscheidung Moskaus, „Lebensmittel als Waffen“ zu nutzen, werde die Lieferung von Lebensmitteln an Orte, die sie dringend benötigen, erschweren und zu höheren Preisen führen. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verurteilte das „zynische“ Vorgehen Russlands „aufs Schärfste“.

EU beklagt Ende des Abkommens

Die Europäische Union verurteilte die Aufkündigung des internationalen Getreideabkommens durch Russland. „Mit dieser Entscheidung verschärft Russland die weltweite Krise der Ernährungssicherheit weiter, die es durch seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Blockade der ukrainischen Seehäfen verursacht hat“, erklärte der Außenbeauftragte Josep Borrell am Montagabend im Namen der Mitgliedstaaten. Russland müsse die illegale Blockade der ukrainischen Häfen aufgeben und die freie Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer ermöglichen.

„Die EU fordert Russland dringend auf, seine Entscheidung zu überdenken und die Umsetzung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative unverzüglich wieder aufzunehmen“, so Borrell. Moskau sei allein verantwortlich für die Unterbrechung der weltweiten Getreidelieferungen und den Anstieg der Lebensmittelpreise auf der ganzen Welt. „Russland macht weiter damit, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen.“

Getreidespeicher in der Ukraine (Archivbild) (AP)

Schwarzmeer-Getreideabkommen mit Russland offiziell ausgelaufen

Das von UN und Türkiye vermittelte Abkommen mit Russland zur Verschiffung ukrainischen Getreides übers Schwarze Meer war am Montag offiziell ausgelaufen. Die Vereinbarung hatte es der Ukraine seit Sommer vergangenen Jahres ermöglicht, trotz des russischen Angriffskriegs mehr als 30 Millionen Tonnen Getreide über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen. Selbst während des Krieges blieb die Ukraine im Jahr 2022 den Angaben zufolge der größte Weizenlieferant des Welternährungsprogramms (WFP) und lieferte mehr als die Hälfte der weltweiten Weizenbeschaffung des WFP.

Das Auslaufen des Abkommens weckt wieder Befürchtungen vor steigenden Preisen für Getreide und Lebensmittel. Dank der Vereinbarung hatte die Ukraine trotz des russischen Angriffskriegs seit vergangenem Sommer Getreide auf dem Seeweg exportieren können. Mehr als 1000 Schiffe brachten fast 33 Millionen Tonnen ins Ausland.

Letzter Frachter in Istanbul inspiziert

Am Montagabend wurde in Istanbul der letzte Frachter inspiziert, der im Rahmen der Vereinbarung Getreide durch das Schwarze Meer transportiert hat. „Die Inspektion des Frachters ‚TQ Samsun‘ wurde vom Joint Coordination Center (JCC) abgeschlossen“, erklärte die Koordinierungsstelle JCC, welche die Umsetzung des Abkommens beaufsichtigt.

Getreidetransport (Reuters)

Es handele sich um die 1972. seit dem 1. August 2022 erfolgte Inspektion durch das JCC im Rahmen der Schwarzmeer-Getreideinitiative, hieß es in der Erklärung weiter. Der unter türkischer Flagge fahrende Frachter habe „am Sonntag den Hafen von Odessa verlassen und ist heute an der Inspektionsstelle nördlich von Istanbul am Schwarzen Meer angekommen“, so das JCC.

Das im Juli 2022 in Istanbul zwischen der Ukraine und Russland unter Vermittlung von Türkiye und der UN unterzeichnete Abkommen ermöglicht den Transport von Getreide über das Schwarze Meer. Es wurde bereits zweimal verlängert.

TRT Deutsch und Agenturen