Das Parlament in Ankara hat grünes Licht für eine mögliche Militärintervention im Bürgerkriegsland Libyen gegeben. Eine Mehrheit von 325 Abgeordneten billigte in Ankara ein Mandat, das Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Jahr lang erlaubt, türkische Soldaten nach Libyen zu schicken. 184 Parlamentarier stimmten dagegen.
Erdoğan will damit die international anerkannte Regierung unter Ministerpräsident Fayez al-Sarradsch in Tripolis stützen. Die liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Khalifa Haftar. Der Präsident ist nun berechtigt, über „Grenze, Ausmaß, Menge und den Zeitpunkt“ der Entsendung zu entscheiden, „um militärische Operationen und Interventionen durchzuführen, falls nötig“. Wann Erdoğan die Erlaubnis in Anspruch nehmen wird, war zunächst unklar. Eine Zustimmung war erwartet worden, da Erdoğans liberal-konservative AK-Partei in der Regierungsallianz mit der nationalistischen MHP im Parlament eine Mehrheit hat. Ein Großteil der Opposition kritisierte das Vorhaben scharf. Der stellvertretende Parteivorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Ünal Çeviköz, sagte im Parlament, es handele sich um ein „unsinniges und gefährliches Abenteuer“. In Libyen herrscht seit dem Sturz vom Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Haftar kontrolliert mit seiner selbsternannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr hatte er einen Angriff auf Tripolis begonnen, wo die Sarradsch-Regierung sitzt. Haftar wird unter anderem von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt. Erdoğan hatte vergangene Woche gesagt, al-Sarradsch habe um eine Entsendung von Truppen gebeten, man könne ihn so wirksamer unterstützen. In der nun erteilten Erlaubnis heißt es zur Begründung eines möglichen Einsatzes unter anderem, die sich verschlechternde Lage in Libyen bedrohe auch die Interessen der Türkei im Mittelmeerraum und Nordafrika. Der Türkei geht es neben regionalem Einfluss auch um Rohstoffe in der Region. Al-Sarradsch und Erdoğan hatten schon im November zwei umstrittene Abkommen unterschrieben: Eines zur militärischen Zusammenarbeit, das unter anderem eine Entsendung von Ausbildern vorsieht. Mit einer zweiten Vereinbarung legten die Türkei und Libyen Seegrenzen im Mittelmeer fest.
Erdoğan hatte bei seiner Neujahrsansprache gesagt, mit den Vereinbarungen seien „Projekte, die darauf abzielten, die Türkei vollständig aus dem Mittelmeerraum auszuschließen“, vereitelt worden. Deutschland plant für Anfang des Jahres eine Libyen-Konferenz in Berlin, um die wichtigsten internationalen Akteure an einen Tisch zu bringen. Putin wird kommenden Mittwoch zu einem Besuch in der Türkei erwartet. Moskau und Ankara vertreten nicht nur in Libyen, sondern auch in Syrien unterschiedliche Positionen.