18.02.2020, Syrien, Ma'arrat Misrin: Ein Syrer trägt sein Baby in einem Behelfslager für Familien, die infolge der Bombenangriffe und der militärischen Operationen aus dem Land Idlib vertrieben wurden. (dpa)
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Nach zehn Jahren Bürgerkrieg leidet Syrien der Welthungerhilfe zufolge unter der bislang schlimmsten Hungerkrise. Ein „alarmierender Rekord“ von mehr als zwölf Millionen Menschen habe nicht genug zu essen, sagte der Syrien-Koordinator der Hilfsorganisation, Konstantin Witschel, der Deutschen Presse-Agentur. Das seien fast 60 Prozent der Bevölkerung. Die humanitäre Lage allgemein habe sich im vergangenen Jahr extrem verschlechtert.
Besonders betroffen sind Flüchtlinge. „Die Lage in den Camps ist schrecklich“, erklärte Witschel nach einem Besuch in der nordsyrischen Stadt Azaz. Derzeit setzen Wintertemperaturen und starker Regen den Menschen zu. In den Flüchtlingslagern fehle es an allem. „Bei unserem Besuch kamen uns 30 Kinder entgegen, die bei sechs oder sieben Grad nur Pullis und Sandalen trugen.“
Azaz liegt nördlich der Großstadt Aleppo. Im von Regierungsgegnern gehaltenen Nordwesten Syriens leben mehr als vier Millionen Menschen, davon rund 2,7 Millionen Vertriebene. Mehr als die Hälfte braucht humanitäre Hilfe, die den UN zufolge massiv unterfinanziert ist. Deutschland ist nach den USA zweitgrößter Geber.
Der Bürgerkrieg in Syrien hatte im März 2011 mit Protesten gegen die Regierung begonnen. Insgesamt wurden seitdem rund zwölf Millionen Menschen vertrieben, rund die Hälfte innerhalb von Syrien.
Durch den Verfall der syrischen Lira in den vergangenen Monaten hätten sich die Lebensmittelpreise verdreifacht, sagte Witschel. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie könnten nicht abgefedert werden. Viele Menschen könnten gerade einmal die Hälfte dessen decken, was sie als Mindestmaß zum Überleben bräuchten.
Eltern verzichteten auf Nahrung, um ihre Kinder ernähren zu können, sagte Witschel. „Auch die Mahlzeiten werden kleiner oder fallen ganz aus.“ Die Menschen verschuldeten sich, um Lebensmittel kaufen zu können. Sie hätten zudem nicht die Mittel, sich vor dem Coronavirus zu schützen. „Das sind Worst-Case-Bedingungen“, erklärte der Hilfskoordinator. „Die Menschen leben dicht gedrängt in überfüllten Camps ohne Möglichkeit, Abstand zu halten, ohne Schutz, ohne Desinfektionsmittel und ohne vernünftige medizinische Versorgung.“ Die offiziell vergleichsweise niedrige Anzahl der Corona-Fälle sei nicht realistisch, da in der Region kaum getestet werden könne.

dpa