Das schwere Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet fordert weiterhin zahlreiche Todesopfer. Unter den Trümmern tausender eingestürzter Gebäude werden in den beiden Ländern noch zahlreiche Opfer befürchtet. Nach Schätzungen der syrischen staatlichen Nachrichtenagentur Sana und der Rettungsorganisation Weißhelme sind rund 3200 Menschen in Syrien infolge der Naturkatastrophe ums Leben gekommen.
Am frühen Montagmorgen hatte ein Beben, dessen Stärke das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) mit 7,7 angibt, das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert. Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,6 in derselben Region.
Bundesregierung will Hilfswege ohne Kooperation mit Assad-Regime
Die Bundesregierung erklärte, die Versorgung der Menschen im schwer ereichbaren Norden Syriens verbessern zu wollen. Das Problem sei, dass das „Regime“ in der Vergangenheit keine humanitären Hilfen ins Land gelassen habe, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag im Radiosender WDR 5. Auf die Frage, ob die Bundesregierung mit Damaskus in Kontakt stehe, sagte Baerbock: „Wir sind mit allen Akteuren in Verbindung, mit denen wir jetzt erreichen können, dass die Hilfe ankommen kann.“
Die Regierung arbeite mit Machthaber Baschar al-Assads „Regime“ nicht zusammen, betonte sie, „deswegen müssen wir andere Wege gehen, die wir in der Vergangenheit über die Vereinten Nationen auch gegangen sind, und nutzen jetzt jede Möglichkeit, damit die Hilfe vor Ort ankommen kann“.
Erste internationale Hilfslieferungen erreichen Syrien
Am Donnerstag trafen im Norden Syriens sechs Lastwagen mit Hilfsgütern der Vereinten Nationen ein. Sie nutzten dazu den einzigen noch offenen Grenzübergang Bab al-Hawa zu Türkiye, hieß es aus UN-Kreisen. Wegen Schäden an Straßen konnten Lastwagen Bab al-Hawa bisher nicht erreichen. Inzwischen wurden die Straßen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge aber teilweise wieder repariert.
Bab al-Hawa ist der einzige offene von ursprünglich vier Grenzübergängen aus Türkiye in den Norden Syriens. Die syrische Regierung wollte humanitäre Hilfe schon vor dem Erdbeben komplett durch die von ihr kontrollierten Gebiete fließen lassen, um den Rebellen im Norden weitere Ressourcen zu entziehen. Dies fordert sie nun erneut. Bei Hilfslieferungen und -zahlungen an die Regierung gab es immer wieder Berichte, dass die Regierung sich daran bereichert und die Güter als Machtmittel im Bürgerkrieg einsetzt.
Der Grenzübergang Bab al-Hawa war schon vor dem Erdbeben eine Lebensader für rund 4,5 Millionen Menschen in Gebieten im Nordwesten, die nicht von der syrischen Regierung kontrolliert werden. 90 Prozent der Bevölkerung waren dort schon vor der Katastrophe nach UN-Angaben auf humanitäre Hilfe angewiesen. In der Region leben Millionen, die durch den Krieg vertrieben wurden.