11.01.2021, Baden-Württemberg, Ulm: Rabbiner Shneur Trebnik steht im Polizeipräsidium zwischen zwei Streifenwagen. Baden-Württemberg bekommt Polizeirabbiner. (dpa)
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Polizisten stehen an einem jüdischen Feiertag vor einer Synagoge. Sie sind zum Schutz der Gemeinde da. Doch was feiern die Menschen darin eigentlich? Was schütze ich hier? Dieses Wissen fehlt den Polizisten oftmals. Mit Beispielen wie diesem möchte Rabbiner Shneur Trebnik verdeutlichen, was sich durch seine neue Aufgabe künftig ändern soll.
Der Rabbiner der Ulmer Gemeinde ist seit Jahresanfang einer der zwei Polizeirabbiner für Baden-Württemberg. Das Land hat diese Stellen neu geschaffen und ist damit erst der dritte Staat weltweit, nach den USA und Israel, mit Rabbinern bei der Polizei, wie der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume, betont. Auf Blumes Vorschlag hin hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) Rabbiner Trebnik für Württemberg und Landesrabbiner Moshe Flomenmann aus Lörrach für den badischen Landesteil zu der neuen Aufgabe berufen.
Sie sollen den Polizisten in Baden-Württemberg Wissen über das heutige Judentum vermitteln, als Vertrauensperson dienen und wie auch die 19 christlichen Polizeiseelsorger im Land bei der psychosozialen Notfallversorgung helfen. Auch in der Ausbildung werden sich die Polizeirabbiner einbringen. Für die im März beginnenden Polizeianwärter arbeiten sie derzeit an einem Bildungsplan zu jüdischem Leben in Deutschland.
„Bislang sind wir mit der Polizei oft nur bei Sicherheitsfragen im Gespräch“, sagt Rabbiner Trebnik. Ihm sei es deshalb wichtig, auch die Vielfalt des Lebens der jüdischen Gemeinden aufzuzeigen. Er setze dazu auf unmittelbare Gespräche mit und nicht über jüdische Menschen. „Denn meine Erfahrung zeigt: Jedes Gespräch bewirkt etwas.“ Sein Ziel im Austausch mit der Polizei sei es deshalb vor allem, mögliche Vorurteile abzubauen und für Toleranz gegenüber Andersdenkenden zu sorgen. Oft sei beim Thema Juden nur von Antisemitismus oder israelischer Politik die Rede, sagt Trebnik. Die Menschen wüssten zu wenig über das Judentum, nicht nur bei der Polizei.
Berührungsängste vorhanden
Das sieht auch Rabbiner Flomenmann so. „Es bestehen Berührungsängste, aus diesen kann Angst entstehen und daraus dann Hass.“ Eine Folge könnten etwa antisemitische Chatgruppen sein, wie sie bei der Polizei bekannt wurden. Dabei ist er sich sicher, „wenn man mehr über das Judentum erfährt, entwickelt man auch eine andere Sensibilität für jüdische Themen und hat auch künftig einen besseren Zugang dazu“. Er möchte deshalb erreichen, dass das Wissen über das Judentum in der Polizei möglichst breit gestreut ist. Es reiche nicht, wenn nur Polizisten in leitenden Funktionen etwa bei den Polizeipräsidien über das jüdische Leben in Deutschland Bescheid wüssten. Auch jeder Streifenpolizist sollte hier über Wissen verfügen, sagt Flomenmann. „Ich möchte das jüdische Leben nicht nur im Verstand, sondern auch im Gefühl vermitteln.“
Dass dies mitunter keine leichte Aufgabe sein wird, ist Rabbiner Trebnik bewusst. „Vielleicht werden Gespräche mit Polizisten mit unterschiedlichen Meinungen enden. Doch mir ist wichtig, dass man andere Meinungen akzeptieren kann.“ Denn auch er sagt: „Viele Bedrohungen von Juden beginnen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit. Doch das kann schlimm enden.“
Der Antisemitismusbeauftragte Blume sieht in den zunächst für zwei Jahre berufenen Polizeirabbinern auch ein deutliches Zeichen für die Gesellschaft. Indem Baden-Württemberg nun auch Polizeirabbiner habe, spürten Polizistinnen und Polizisten, dass sie Teil von einem größeren „Wir“ seien - einer Demokratie mit religiöser und ethnischer Vielfalt. „Das stärkt auch gegen Antisemitismus und Rassismus“, ist Blume überzeugt.
Nicht nur bei der Polizei, auch beim Militär wird das jüdische Leben künftig besser repräsentiert. Bereits im Mai 2020 hat der Bundestag beschlossen, jüdische Militärseelsorger bei der Bundeswehr zu schaffen. Bis zu zehn Seelsorger jüdischen Glaubens sollen künftig bei den deutschen Streitkräften arbeiten. 2021 feiert die Bundesrepublik zudem 1700 Jahre jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands mit Veranstaltungen über das ganze Jahr verteilt.

dpa