15. Juli (Others)
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Der 15. Juli 2016 und die darauffolgende Nacht sind Daten, die niemals aus dem kollektiven Gedächtnis der Bürgerinnen und Bürger der Republik Türkiye verdrängt werden. Man denke an Panzer auf der Bosporus-Brücke in Istanbul, Kampfjets, die das türkische Parlament in der Hauptstadt Ankara bombardierten, von Terroristen besetzte und gestürmte öffentliche und private Einrichtungen und Institutionen und den Versuch, Präsident Erdoğan an seinem Sommerurlaubsort zu entführen oder zu ermorden. Eine kleine Fraktion des Militärs unter dem Kommando der sogenannten FETÖ hatte einen abscheulichen Putschversuch inszeniert, mit dem barbarischen Ziel, die moderne türkische Demokratie zu zerstören und stattdessen eine von Gülen gelenkte Diktatur zu errichten.

Doch dann geschah, was die Terroristen niemals vorhergesehen hatten: Die Bevölkerung nahm die Dinge in die eigenen Hände, sprichwörtlich, und besiegte den sogenannten FETÖ-Clan, der Türkiye unterwandert hatte. Doch unter unvorstellbar hohen persönlichen Verlusten – 251 Märtyrer verloren ihr Leben, 2196 Menschen wurden noch in der Nacht teils schwer verletzt. Am heutigen achten Erinnerungstag im Jahre 2024 kommt die gesamte Nation zusammen, um diesen Helden Respekt zu zollen. Aber auch, um sich noch einmal vor Augen zu führen, wie eine Nation zusammenhielt. Türkiye war selbstredend auch vor 2016 eine Demokratie und vor allem seit Beginn des Neuen Millenniums, als die Wählerinnen und Wähler mit einem Erdrutschsieg 2002 der AK-Partei (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) den Auftrag gaben, einen neuen Aufbruch zu wagen. Doch vor acht Jahren wurde hier noch einmal eine völlig neue Qualität erreicht - „Demokratie Made in Türkiye - 2.0.“

Bewusste Fehlinterpretation in Europa 1: Putschversuch im Juli 2016

Acht Jahre nach dem Putschversuch sieht sich Türkiye schon lange nicht mehr von FETÖ-Terroristen bedroht, da die demokratischen Institutionen und die Bevölkerung jegliche weitere Putschversuche ohnehin niemals wieder erlauben würden. Ironie des Schicksals ist, dass viele FETÖ-Mitglieder bereits kurz vor dem 15. Juli 2016 und danach im Ausland herzlichst aufgenommen wurden, und wir sprechen hier vom Nachbarstaat Griechenland oder Deutschland genauso wie von den Vereinigten Staaten von Amerika; die Gefahr, die Terroristen für die Sicherheit genau dieser Länder darstellt, wurde bis vor kurzem komplett geleugnet oder als absurd abgetan.

Es dauerte lange Zeit, bis die Verbündeten von Türkiye zumindest erkannten, welche Gefahr FETÖ für Türkiye dargestellt hatte, aber auch hier muss man leider von diplomatischer Zurückhaltung sprechen. In der Nacht und in den Wochen und Monaten danach hörte man viele Stimmen, die Ankara per Zeigefinger darauf hinwiesen, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren, anstelle von Stimmen, die die FETÖ-Terroristen als genau das bezeichneten, was sie in Wirklichkeit waren – kaltblütige Mörder.

Lobenswerte Ausnahme war der hoch angesehene britische Politiker Sir Alan Duncan, der in seiner Funktion u.a. als Europaminister der erste hochrangige europäische Politiker war, der persönlich nach Ankara reiste, und zwar kurz nach dem Putschversuch und nicht Monate oder Jahre später. Er beschrieb die Vorgänge als „schrecklich“ und wiederholte dies auch auf seinem X-Kanal (vormals Twitter) ein Jahr danach mit demselben Wort.

Warum war nur Großbritannien so schnell vor Ort? Sir Duncan kam insgesamt fünf Mal nach Ankara, um seine Solidarität zu zeigen und die Freundschaft zwischen beiden Demokratien weiter zu festigen. Wo waren Berlin und Paris? Es trifft zu, dass die Botschafter der meisten EU-Mitgliedstaaten das zerbombte türkische Parlament besuchten, aber als Türkiye dem FETÖ-Clan den Kampf ansagte – Schweigen. Als Ankara Notstandsgesetze verabschiedete – Entsetzen. Als bekannt wurde, welche Länder vor allem FETÖ-Vertreter mit oder ohne Visa hatten einreisen lassen – kein Kommentar. Schade.

Bewusste Fehlinterpretation in Europa 2: Ein starkes Türkiye muss verhindert werden

Obwohl die AK-Partei eindeutig ein Verfechter des Mainstream-Konservatismus ist, ist es nicht unangebracht, Präsident Erdoğan in diesem Zusammenhang mit dem ehemaligen westdeutschen Bundeskanzler Willy Brandt zu vergleichen, einem Sozialdemokraten, der 1969 erklärte: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“

Genau das hatte sich Türkiye unter der AK-Partei auch auf die politischen und gesellschaftlichen Fahnen geschrieben. Andere Politiker hätten vielleicht lediglich einen erneuten Wirtschaftsaufschwung als wichtigstes Thema nach 2003 angesehen – nicht so Erdoğan, der eindeutig eine Verflechtung von ökonomischem Fortschritt und demokratischem Fortschritt wollte.

Dies beinhaltete unter anderem die Abkehr von militärischer Bevormundung in zivilen Angelegenheiten, aber auch eine Abkehr von ausländischer Bevormundung im Sinne von: „Wir sagen euch, was zu tun ist oder was besser nicht.“

Und all dies führte seit 2003 über 2016 bis heute zu einem starken Türkiye, mit einer 360-Grad-Außenpolitik, einer vorbildlichen Flüchtlingspolitik, einer florierenden Wirtschaft, einem immer besser werdenden staatlichen Gesundheitssystem, einer aufstrebenden jungen Bevölkerung, einem traditionellen Familiensystem und vielem anderen mehr.

Schlechtreden von Türkiye ist anscheinend immer noch der einzige Tagesordnungspunkt auf vielen Herausgeberkonferenzen oder so manchen Parteisitzungen. Braucht man hier noch einen weiteren Beweis? Der jüngste Skandal um einen türkischen Fußballspieler bei der EM 2024 und dessen illegale Spielsperre würde eine weitere Seite im fiktiven, aber sicherlich sehr umfangreichen Buch füllen mit dem Titel „Was immer Türkiye will oder macht, ist falsch.“ Zum Glück kümmert dies die stolzen Menschen hier in der modernen Republik Türkiye nicht mehr.

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