In den Morgenstunden des 6. Februar erschütterte ein Beben der Stärke 7,7 Südosttürkiye und den Norden Syriens. Etwa neun Stunden später folgte ein zweites, ebenso schweres Beben der Stärke 7,6. Seitdem ereigneten sich Tausende Nachbeben in der Region. Das Epizentrum der Erschütterung lag in beiden Fällen in den südosttürkischen Provinzen Kahramanmaraş und Gaziantep. Über 50.000 Menschen starben, davon mehr als 48.000 allein in Türkiye.
Mehrere Erdplatten treffen aufeinander
Das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) wies in einer ersten Einschätzung auf die komplizierte geographische Lage von Türkiye hin, das gleich „von zwei großen aktiven seismischen Zonen durchzogen“ sei. Die Forscher teilten bereits am Tag der Naturkatastrophe in einer Pressemitteilung mit: „Die Beben von heute Morgen ereigneten sich entlang der ostanatolischen Verwerfungszone (EAFZ - East Anatolian Fault Zone). Hier treffen die anatolische und die arabische Platte aufeinander und bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 1,4 cm/Jahr seitlich (links-lateral) aneinander vorbei.“ Durch die Reibung der beiden Platten komme es in unregelmäßigen Abständen zu zum Teil starken Erdbeben, so die Experten.
Alle tausend Jahre
Ein Beben ähnlicher Stärke hatte es in der Region seit mindestens 500 Jahren nicht mehr gegeben. Laut GFZ ereigneten sich die größten bekannten Erdbeben entlang der ostanatolischen Verwerfungszone zuletzt am 28. März 1513 (Stärke: 7,4) und am 29. November 1114 (Stärke: 7,8). Japanische Forscher gehen sogar davon aus, dass sich derlei heftige Erdstöße nur alle tausend Jahre ereignen.
So, als ob 500 Atombomben die Region getroffen hätten
Die Wucht des Bebens hat elf türkische Provinzen teilweise komplett zerstört. Die dadurch freigesetzte Energie und Zerstörungskraft entspricht, wie Fachleute feststellen, nicht wie anfangs noch angenommen etwa 130 Atombomben, sondern, wie der Chef der Abteilung für Risikoverminderung der Katastrophenschutzbehörde AFAD, Orhan Tatar, mitteilte, 500 Nuklearbomben. Elf Provinzen wurden nahezu von der Landkarte getilgt. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie groß das zerstörte Gebiet ist, kann man sich Vergleichsskizzen anschauen, die die Dramatik vor Augen führen. Hätte sich das Erdbeben in Türkiye vom 6. Februar in Deutschland ereignet, wären der weite Bereich von Köln bis Sachsen-Anhalt schwer beschädigt oder komplett zerstört. Sogar in Hamburg und München wären die Erdstöße noch zu spüren gewesen. Dieses Beben hätte fast ganz Deutschland erschüttert. Es ist hingegen sehr schwierig, sich zu vergegenwärtigen, wie viel und was alles zerstört wurde. Das Ausmaß des Bebens übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Es ist unvorstellbar, dass große Teile Deutschlands von einer solchen Naturgewalt getroffen würden und es nur noch wenige Häuser geben würde, die noch stehen. Diese Vorstellung würde uns erschaudern lassen.
Nicht die Zeit für Desinformation
Allerdings muss auch kritisch erwähnt werden, dass jetzt nicht der Moment für politisch-ideologische Grabenkämpfe, als Satire getarnte Diffamierungen, provokante Desinformationskampagnen oder subversive Presseberichterstattung ist. Nein. Jetzt ist der Zeitpunkt dafür, diese Solidarität über geographische, aber auch ethnische, konfessionelle und religiös-kulturelle Grenzen hinweg zu festigen.
Materieller Schaden etwa 85 Milliarden US-Dollar
Mehrere Millionen Menschen, Schätzungen gehen von über 13 Millionen aus, leben in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten – und das allein in Türkiye. Das Beben hat aber darüber hinaus auch Schäden in Ägypten, Syrien, Zypern, dem Libanon, Israel, Irak und Iran angerichtet. Die Erdstöße waren demnach in insgesamt 16 Staaten zu spüren.
Die Zahl der durch diese Naturkatastrophe umgekommenen Menschen nähert sich der Marke von 50.000 an. Knapp 200.000 Wohn- und Geschäftshäuser sind durch die Erschütterungen eingestürzt oder unbewohnbar. Die Provinz Gaziantep ist von den Zerstörungen am meisten betroffen. Dort müssen etwa 12.000 Gebäude abgerissen werden, gefolgt von rund 11.000 in der Provinz Hatay und ungefähr 11.000 in der Provinz Kahramanmaraş. Der materielle Schaden wird im Moment auf etwa 85 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Millionen Menschen haben ihr Zuhause verloren und sind obdachlos. Sie werden nun evakuiert und kommen in verschiedenen Gegenden von Türkiye unter. Auch Deutschland hat leichtere Einreiseregelungen für die von der Erdbebenkatastrophe betroffenen Menschen aus Türkiye und Syrien in Aussicht gestellt. Diese sollen die Möglichkeit bekommen, für bis zu drei Monate bei Familienangehörigen oder Verwandten in der Bundesrepublik zu bleiben.
Große staatliche und zivile Hilfsbereitschaft
Die Suche nach möglichen Überlebenden wurde nun eingestellt. Für einen Hilfseinsatz in einer Region, die fast so groß ist wie weite Teile der Bundesrepublik, ist eine logistische Meisterleistung erforderlich. Der türkische Staat hat auf die Situation sofort reagiert: Es wurden unverzüglich mehr als 35.000 Rettungs- und Suchteams in die betroffenen Provinzen, Bezirke, Städte und Dörfer, die vom Beben getroffen wurden, beordert. Insgesamt waren rund 120.000 Helfer vor Ort, viele von ihnen Freiwillige. Das Eintreffen der Rettungsmannschaften in die Region gestaltete sich gewiss alles andere als leicht. Viele Straßennetze wurden vom Erdbeben zerstört. Allein geographisch ist die Region im Südosten von Türkiye eine große Herausforderung. Ein weiteres Problem, das die Lage erschwerte, war und ist das winterliche Wetter mit eisigen Temperaturen, das die Rettungs- und Aufräumarbeiten behindert.
Türkiye ist angesichts des Ausmaßes dieser großen Naturkatastrophe auf jede Hilfe angewiesen, sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Die angelaufene Hilfe und Solidarität sind beachtlich. Dafür gebührt der internationalen Gemeinschaft, allen voran Deutschland, ausdrücklicher Dank. So hat Deutschland die bisherige Sofort- und Nothilfe für Türkiye auf rund 41 Millionen Euro aufgestockt und etwa 200 Beatmungsgeräte, 338 Notstromaggregate, 40.000 Betten und 500 Zelte nach Türkiye geflogen.
Dankbarkeit für deutsche Rettungsteams und Spendenbereitschaft
Die Deutschtürken haben ihre Dankbarkeit mit enthusiastischen Empfängen der deutschen Hilfsteams an den deutschen Flughäfen zur Schau gestellt. Als zum Beispiel die Hilfsteams von THW, ISAR Germany und Bundesverband Rettungshunde (BRH) aus dem Erdbebengebiet in Türkiye zurückkehrten, wurden sie von Hunderten Menschen, die meisten von ihnen Türkischstämmige, am Flughafen Frankfurt emotional und mit großer Dankbarkeit begrüßt. Ähnliche Bilder spielten sich an anderen deutschen Flughäfen ab. Es gab Blumensträuße, Willkommensplakate und andere Geschenke. Dieses ehrenamtliche Engagement kann nicht genug gewürdigt werden.
Ein großer Dank gilt auch der großzügige Spendenbereitschaft der Menschen in Deutschland, die den Opfern der Erdbebenkatastrophe in Türkiye zugutekommt. Dank dieser Spenden kann für die Menschen in den betroffenen Gebieten grundlegende und lebensnotwendige humanitäre Hilfe geleistet werden. Dank dieser Hilfe kann der Wiederaufbau starten. Danke für den Zusammenhalt. Danke für die Unterstützung. Danke Deutschland.