Archivbild. 22.11.2017, Berlin: Die Übersicht zeigt den Plenarsaal während einer Sitzung des Deutschen Bundestages. Der nächste Bundestag könnte nach Berechnungen eines Wahlrechtsexperten gut 1000 Abgeordnete stark werden. (dpa)
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Es ist noch nicht allzu lange her, dass der Bundesvorsitzende der FDP, Christian Lindner, in einem Interview für die DW im Jahre 2018 offen seine Abneigung gegen dem türkischen Präsidenten Erdoğan offenbarte und zu Protokoll gab, er wolle mit Erdoğan beim anstehenden Staatsbankett in Berlin keinen Sekt trinken, da dieser „unschuldige Journalisten“ verhaften ließe.

Diese rhetorische Eingebung von Lindner kann man getrost in die Kategorie „Kognitive Verzerrung ohne Realitätsbezug“ einordnen. Der gläubige und praktizierende Muslim Erdoğan, der als Vorbild eines zeitgemäßen Muslims in der muslimischen Welt hohes Ansehen genießt, trinkt natürlich pflichtgemäß keinen Alkohol.

Journalisten entlarven sich als Terroristen

Ferner entpuppen sich Pseudo-Journalisten in Türkiye, die in Deutschland mit Sympathiebekundungen überschüttet werden, offensichtlich als veritable Terroristen. Erst letzte Woche hat sich eine mit einem Presseausweis ausgestattete Terroristin an der Ausführung eines Selbstmordanschlags auf eine Polizeistation in Mersin beteiligt, bei dem ein Polizeibeamter getötet wurde.

Kubickis primitive Vulgärsprache erreicht neuen Tiefpunkt

Seit den Gezi-Park-Krawallen 2013, die von der Terrororganisation FETÖ instruiert und orchestriert wurden, wird von Teilen der deutschen Medien und Politiker eine offene Diffamierungskampagne gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan geführt. Nun hat der stellvertretende Vorsitzende der FDP, Wolfgang Kubicki, mit seiner primitiven Vulgärsprache eine neue Qualität, ein neues, unterirdisches Niveau in der politischen Auseinandersetzung erreicht.

Kubicki bekleidet unter anderem die Position des Bundestagsvizepräsidenten in Berlin und vertritt in seiner Funktion die Interessen der Bundesrepublik Deutschland; er ist das Aushängeschild Deutschlands. Daher ist es unbegreiflich, wie er als angesehener deutscher Staatsmann während einer öffentlichen Wahlkampfveranstaltung der niedersächsischen FDP in Hildesheim den türkischen Präsidenten in Zusammenhang mit seiner Flüchtlingspolitik in einer skandalösen Rede würdelos beleidigen konnte. Er ist mit dieser Geisteshaltung von seiner staatsmännischen Verantwortung weit entfernt und wird seiner exponierten Position im Staat nicht gerecht.

Verspielt die FDP Kredit bei Wählern mit türkischen Wurzeln?

Der FDP-Politiker scheint sich in der politischen Auseinandersetzung mit seinem Parteivorsitzenden Lindner profilieren zu müssen und greift dabei auf populistische Methoden als Mittel zum Zweck zurück. Er riskiert dabei nicht nur eine Anklage wegen Beleidigung nach § 185 StGB, die nun von der türkischen Regierung angestrebt wird, sondern verspielt auch unnötig Kredit bei Wählern mit türkischen Wurzeln und innerhalb seiner Partei, die nach Aussagen von Parteifunktionären mehrheitlich die persönlichen Aussetzer und die Sichtweise von Kubicki nicht teilt.

Der hessische Landtagsabgeordnete Yanki Pürsün betonte in einem Interview mit TRT-Deutsch die Notwendigkeit von Respekt, Moral sowie Anstand in der politischen Auseinandersetzung und zeigte für die verbalen Aussetzer seines Parteikollegen kein Verständnis: Es sei inakzeptabel, als Repräsentant von Deutschland einen ausländischen Staatspräsidenten zu beleidigen.

In die gleiche Richtung gehen die Äußerungen von Murat Kalmis, welcher der FDP-Fraktion in Delmenhorst vorsteht und der sich als Kandidat für die Landtagswahl in Niedersachsen vom 9. Oktober 2022 bewarb. Kalmis: “In einer Demokratie stellt die Meinungsfreiheit einen hohes Gut dar, das wir immer wieder verteidigen müssen, aber sie rechtfertigt es nicht, die Persönlichkeitsrechte von anderen Politikern zu verletzen. Daher verurteile ich diese Beleidigungen aufs Schärfste.“

Kubickis geistige Aussetzer und die Folgen

Kubicki verletzt mit seiner verbalen Entgleisung alle Grenzen von Anstand sowie Respekt und bedient sich niederster populistischer Ressentiments, um die verfehlte Politik seiner Ampel-Koalition zu kaschieren. Die angestrebte Assoziation einer Volksgruppe mit einem krankheitsübertragenden Tier hatte bereits in der Historie traurige Berühmtheit erlangt: Schon im Dritten Reich wurden Bürger jüdischen Glaubens im Film „Der ewige Jude“ als Wanderratten entmenschlicht und zu Freiwild erklärt. Diese Parallelen zu Nazi-Deutschland sind heute im Kontext mit Erdoğan-Bashing nicht von der Hand zu weisen und seit Jahren medial omnipräsent.

Diese haarsträubenden Verfehlungen von Kubicki werfen ferner ein schlechtes Licht auf sein antiquiertes Gedankengut in Bezug auf die Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland. Gegen ihren Präsidenten gerichtete Beleidigungen sind auch gleichbedeutend als Dämonisierung der Menschen mit türkischen Wurzeln zu interpretieren. So werden Feindbilder respektive Sündenböcke geschaffen, die als psychische Projektionsmaschinen dienen.

Kubicki dient als Alibi für Nachahmer

Der Bundestagsvizepräsident bewegt sich hier auf einem sehr schmalen Grat und sollte sich der Konsequenzen seiner verbalen Kommunikation bewusst sein. Dieser von der sogenannten Elite der Politik geäußerte Tiervergleich legitimiert auch das gemeine Volk, diese Narrative unreflektiert zu übernehmen. Dabei ändert sich die gesellschaftliche Wahrnehmung, und es werden demokratische Werte sowie Grenzen verschoben, was dem gesellschaftlichen Zusammenleben nachhaltig immensen Schaden zufügen und zu sozialen Konflikten führen kann.

Die Demokratie lebt von integren und verantwortungsvollen Politikern

Es ist nicht nachvollziehbar, warum Kubicki gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan übelste Beleidigung ausspricht, obwohl Türkiye mit der Unterbringung von mehr als 4,5 Millionen Flüchtlingen, deren Unterbringungskosten zu ungefähr 80 % vom türkischen Staat und der Rest von der EU getragen werden, einen wichtigen Beitrag zum sozialen Frieden in Europa leistet.

Als Bundestagsvizepräsident und Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland hat Kubicki dem Ansehen unseres Landes großen Schaden zugefügt. Er hat an Integrität verloren, die für die Ausübung des Postens als Bundestagsvizepräsident notwendig wäre, und er kann zukünftig seine Vorbildfunktion in der Gesellschaft nicht mehr vollumfänglich wahrnehmen. Die Demokratie lebt aber von integren und verantwortungsvollen Politikern.

Daher sollte er in letzter Konsequenz freiwillig sein Amt als Bundestagsvizepräsident niederlegen und einen Imageschaden von der Bundesrepublik Deutschland abwenden.

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