Im Zentrum von Verschwörungstheorien: Microsoft-Gründer Bill Gates (AP)
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Der Theologe Martin Fritz von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) ist in Sorge ob der zunehmenden Resonanz, die sogenannte Querdenker, Impfgegner und Verschwörungsideologen in freikirchlichen Gemeinschaften finden. In der „Zeit“ klagt er über „staats- und demokratiefeindliche Botschaften“, die sich in den Gemeinden gerade jetzt in der Corona-Pandemie ausbreiteten und die durch „bestimmte Frömmigkeitsformen“, die dort verbreitet seien, begünstigt würden.

„Untergrundorte“ für Ungeimpfte

Als ein Beispiel für eine solche Gemeinde führt die „Zeit“ jene an, die sich regelmäßig im Wedding im Café Mandelzweig trifft. Deren Pastor Christian Stockmann ist Gründer der Vereinigung „Christen im Widerstand“ und unter anderem verantwortlich für eine Broschüre, die mindestens 100.000-mal gedruckt worden sein soll und mit mehrfach widerlegten Falschinformationen Menschen von der Teilnahme an der Corona-Schutzimpfung abschrecken will.

Um dem angeblich weltweit bevorstehenden „Impfzwang“ entgegenzuwirken, will Stockmann „Untergrundorte“ für seine Anhänger und Impfverweigerer schaffen – unter anderem durch den Erwerb von Bauernhöfen in Ungarn, Sachsen oder Österreich.

AfD und Corona-Verharmloser als Bündnispartner

Unter Stockmanns Federführung konnte sich das Café Mandelzweig auch als regelmäßiger Treffpunkt der „Querdenken“-Bewegung und von Aktivisten der aus dieser hervorgegangenen Partei „Die Basis“ etablieren. Darüber hinaus gilt Stockmann als Influencer, der über Exponenten der christlichen Rechten wie dem früheren baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Heinrich Fiechtner in die AfD hineinwirkt.

Dass in dieser Partei Befürworter staatlich erzwungener Geburtenkontrolle über erheblichen Einfluss verfügen, beißt sich aus seiner Sicht offenbar ebenso wenig mit seiner christlichen Frömmigkeit wie der Umstand, dass der bekannte Corona-Verharmloser Sucharit Bhakdi, auf den er sich in seinem Corona-Aktivismus beruft, unverhohlen antisemitische Thesen von sich gibt. Der „Kampf gegen den Islam“ und jener gegen die angebliche „Corona-Diktatur“ scheinen jedoch „dem Reinen alles rein“ zu machen – auch in der Bündnispolitik.

Tief verwurzelte Staatsskepsis

Der Bund der freikirchlichen Pfingstgemeinden (BFP) hat sich zwar mittlerweile von den Aktivitäten Stockmanns distanziert, dennoch ist davon auszugehen, dass ein hoher Prozentsatz der ideologisch verhärteten Impfgegner in Deutschland dem evangelisch-freikirchlichen Spektrum zuzuordnen ist.

Das hat nicht zuletzt mit den historischen Wurzeln und ihre, organisatorischen und theologischen Selbstverständnis zu tun. Freikirchen sind christliche Gemeinden, die ihre Wurzeln im Protestantismus haben und sich von den sogenannten Volkskirchen unter anderem dadurch unterscheiden, dass sie sich durch Spenden statt einer Kirchensteuer finanzieren – und auch sonst keine staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen anstreben.

Verfolgungserfahrungen in Europa, die zu starken Auswanderungsbewegungen vor allem in die USA beigetragen haben, haben ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen unter freikirchlichen Christen entstehen lassen. Individuelles Engagement von Mitgliedern für ehrenamtliche Belange bleibt davon unberührt.

Endzeit-Theologie als Quelle des permanenten Ausnahmezustands

Eine hohe Affinität zu Verschwörungserzählungen in vielen freikirchlichen Gemeinden ist zudem eine Konsequenz aus einem Bibelverständnis, das von wortwörtlicher Auslegung gekennzeichnet ist und gleichzeitig individuelle Interpretationsspielräume schafft.

Dass auf die Säkularisierung und den Niedergang der christlichen Religion im jahrhundertelang vom Christentum geprägten Europa seit der Aufklärung schon bald staatlich organisierte Massenmorde, Weltkriege und totalitäre Ideologien folgten, wird als ein wesentlicher Hinweis darauf gesehen, dass sich die Menschheit in der Endzeit befinde.

Vor allem die Offenbarung des Johannes und Bibelstellen wie Vers 24 des Matthäusevangeliums spielen im Weltbild evangelikaler Freikirchler eine zentrale Rolle. Zahlreiche Erscheinungen und Entwicklungen von Kriegen, Katastrophen, gesellschaftlichen Liberalisierungstendenzen oder dem Rückgang des religiösen Lebens bis hin zur offensiven Behauptung säkularer Werte durch die Staatsmacht werden in diesem Lichte interpretiert.

„Malzeichen des Tiers“ und RFID-Chip

Die weltweiten Lockdownmaßnahmen und Bestrebungen zur Schutzimpfung gegen das Coronavirus betrachten zahlreiche Endzeitchristen als Anzeichen zur Schaffung einer Weltregierung und Ausstattung mit dem „Malzeichen des Tieres“, die dem Antichristen den Weg zur Herrschaft ebnen und dessen Anhänger kennzeichnen sollen.

Im Kontext mit der Impfung spielt dabei unter anderem die Theorie eine Rolle, mittels der Impfung solle allen Menschen ein RFID-Chip injiziert werden, der sie kontrollier- und steuerbar mache. Zuvor wurden von vielen evangelikalen Christen bereits Geldmünzen mit heidnischen Symbolen oder Barcodes auf Waren als Bestrebungen dieser Art interpretiert.

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