Der emeritierte Papst Benedikt XVI. geht mit Amtsträgern der katholischen Kirche in Deutschland ins Gericht. „Solange bei kirchenamtlichen Texten nur das Amt, aber nicht das Herz und der Geist sprechen, so lange wird der Auszug aus der Welt des Glaubens anhalten“, schreibt er in Antworten auf Fragen der „Herder Korrespondenz“, die die Zeitschrift in ihrer neuen Ausgabe veröffentlichen will. Er erwarte „ein wirkliches persönliches Glaubenszeugnis von den Sprechern der Kirche“.
Benedikt kritisierte: „In den kirchlichen Einrichtungen - Krankenhäusern, Schulen, Caritas - wirken viele Personen an entscheidenden Stellen mit, die den inneren Auftrag der Kirche nicht mittragen und damit das Zeugnis dieser Einrichtung vielfach verdunkeln.“
Amtliche Texte der Kirche in Deutschland würden weitgehend von Leuten geschrieben, „für die der Glaube nur amtlich ist“, schreibt der frühere Kardinal Joseph Ratzinger. „In diesem Sinn muss ich zugeben, dass für einen Großteil kirchenamtlicher Texte in Deutschland in der Tat das Wort Amtskirche zutrifft.“
Distanz zur „Freiburger Rede“
In dem Zusammenhang distanzierte er sich auch von der Wortwahl seiner berühmten „Freiburger Rede“, in der er eine „Entweltlichung“ der katholischen Kirche gefordert hatte. „Ob das Wort ‚Entweltlichung‘, das aus dem von Heidegger gebildeten Wortschatz stammt, in Freiburg als abschließendes Stichwort von mir klug gewählt war, weiß ich nicht“, schreibt er.
„Das Wort Entweltlichung deutet den negativen Teil der Bewegung an, um die es mir geht, nämlich das Heraustreten aus der Rede und den Sachzwängen einer Zeit ins Freie des Glaubens“, betonte Ratzinger. Das Positive dieser von ihm geforderten Bewegung sei aber damit „nicht genügend ausgedrückt“.
In der Rede zum Abschluss seines Deutschland-Besuchs 2011 hatte Benedikt die „zunehmende Distanzierung beträchtlicher Teile der Getauften vom kirchlichen Leben“ festgestellt. Die Kirche müsse darum „immer wieder auf Distanz zu ihrer Umwelt gehen, sie hat sich gewissermaßen zu „ent-weltlichen“. Und: „Um ihrem eigentlichen Auftrag zu genügen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt lösen“, sagte er damals.
„Gläubige und Ungläubige voneinander zu scheiden“
Im „Herder“-Interview betonte Ratzinger, „dass zur Kirche nun einmal Weizen und Spreu, gute und schlechte Fische gehören. Es konnte also nicht darum gehen, Gutes und Schlechtes voneinander zu trennen, wohl aber darum, Gläubige und Ungläubige voneinander zu scheiden“.
Kritiker bewerten Aussagen des 2013 zurückgetretenen Papstes zur Kirchenpolitik immer wieder missbilligend, weil sie befürchten, er könne von konservativen Kräften in der katholischen Kirche als Gegenpapst zum amtierenden Franziskus in Stellung gebracht werden. Zuletzt hatte dieser allerdings selbst seinen Vorgänger brüskiert und traditionelle Katholiken vor den Kopf gestoßen, als er ein von Benedikt XVI. erst 2007 herausgegebenes Motu Proprio außer Kraft setzte, in dem dieser mehr Freiheiten für die Feier der Heiligen Messe im vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil geltenden Ritus eingeräumt hatte.
26 Juli 2021
Benedikt XVI. geht mit kirchlichen Amtsträgern ins Gericht
Seinen Kritikern gefällt es selten, wenn der emeritierte Papst sich zur Kirchenpolitik äußert. Doch jetzt hat er es wieder getan - mit einer klaren Botschaft an Kirchenleute in Deutschland. Diese warnte er davor, das Glaubensleben zu „veramtlichen“.
dpa
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