Symbolbild: Söldner der terroristischen YPG (AA)
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von Till C. Waldauer

Im Norden Syriens ist der Spielraum für die terroristische PKK und ihren Ableger YPG seit dem Beginn der erfolgreichen Antiterroroperation der türkischen Armee und ihrer Verbündeten deutlich enger geworden. Auf das Sammeln von Kampferfahrung wollen die Terroristen dennoch nicht verzichten. Der Krieg in der Ukraine gibt vielen von ihnen dazu nun Gelegenheit – und Medienberichten zufolge finden sich PKK/YPG-Kämpfer sogar auf beiden Seiten der Front.

Pragmatisches Verhältnis zwischen Russland und der PKK

Ein Teil der Terrorkämpfer, der sich mittlerweile auf ausländischen Schlachtfeldern einfindet, sieht sich vor allem durch finanzielle Anreize angesprochen. Unter Berufung auf irakische Geheimdienste berichtet TRT World, es seien YPG/PKK-Angehörige in den Reihen russischer Einheiten identifiziert worden. TRT-Haber-Journalist Sertac Aksan zufolge erhalten diese einen monatlichen Sold in Höhe von 1300 US-Dollar.

Sollte einer von ihnen den Einsatz nicht überleben, würde dessen Familie eine Entschädigung in Höhe von 5000 US-Dollar erhalten. Etwa 400 PKK-Terroristen sollen sich in der Ukraine befinden, um in den Reihen russischer Verbände zu kämpfen.

Die Beziehungen zwischen Russland und der PKK/YPG sind ambivalent und folgen Erwägungen der Opportunität. Russland hat die PKK anders als die Türkei, die EU und die USA nicht offiziell als Terrororganisation eingestuft. Die frühere Sowjetunion hatte die kommunistische Gruppierung sogar aktiv unterstützt. Im Syrienkrieg duldete Russland YPG-Kämpfer, die in den vom Assad-Regime kontrollierten Gebieten Schutz suchten – obwohl die YPG gleichzeitig Waffen, Geld und logistische Unterstützung von den USA und westlichen Staaten entgegennahm.

Beim Kampf um die Befreiung der aserbaidschanischen Provinz Bergkarabach im Jahr 2020 sollen auch YPG/PKK-Kämpfer in den Reihen der armenischen Besatzertruppen mitgekämpft haben. In den frühen 1980er Jahren hatte die armenische Terrororganisation ASALA offiziell mit der PKK kooperiert.

„Man braucht diesen absolut pathologischen Antrieb“

Von YPG/PKK-Anhängern, die sich in den internationalen Legionen der Ukraine wiederfinden, berichten demgegenüber der „Business Insider“ und die „Jerusalem Post“. Anders als bei den Terroristen, die ihre Kampferfahrung auf russischer Seite ausweiten wollen, spielen dort eher ideologische als finanzielle Erwägungen eine Rolle. Zudem haben sich vor allem europäische Linksextremisten als Freiwillige für die ukrainische Seite zur Verfügung gestellt, die zuvor bereits für die YPG nach Syrien in den Krieg gereist waren.

Einer davon ist Stefan Bertram Lee. Der „nicht-binäre“ Kämpfer, der bereits 2017 für einen YPG/PKK-Fantasiestaat die Waffe zur Hand genommen hatte, mahnt Gleichgesinnte, sich nur dann persönlich in den Kampf zu begeben, wenn man zu 100 Prozent hinter „der Sache“ stehe. Der Business Insider zitiert ihn mit der Äußerung:

„Man braucht diesen absolut pathologischen Antrieb in sich und eine gewisse Hartnäckigkeit, um das zu schaffen, um das durchzustehen und so weiter. Wenn du auch nur das kleinste bisschen unsicher bist, solltest du es nicht tun, weil du wahrscheinlich irgendwann aufgeben wirst.“

Etwa 20.000 Personen sollen „internationale Legion“ der Ukraine verstärken

Der ukrainischen Regierung zufolge wären bis dato 20.000 Personen aus aller Welt dem Aufruf von Präsident Wolodymyr Selenskyj gefolgt, sich freiwillig in den Dienst einer „internationalen Legion“ zu stellen. Einige davon sollen bereits vor einigen Jahren nach Syrien aufgebrochen sein, um die ebenfalls terroristische Daesh zu bekämpfen.

Ob Bertram-Lee diesmal aktiv an Kämpfen teilnehmen wird, scheint ungewiss. In Syrien soll er zwar die Grundausbildung der YPG durchlaufen haben. Am Ende wurde er jedoch damit betraut, die Ideologie der Gruppe und ihres inhaftierten Terrorführers Abdullah Öcalan am Computer in Form von Memes für soziale Medien aufzubereiten.

Eigenen Angaben zufolge gilt sein Einsatz nicht der Ukraine selbst, in der kommunistische Gruppierungen verboten wurden und nationalistisch beeinflusste Einheiten wie das Asow-Regiment in die Befehlshierarchie der regulären Armee eingegliedert sind. Vielmehr wolle er ein „demokratisches Europa“ gegen Russlands Präsident Putin verteidigen, der ein souveränes Land überfallen habe. Perspektivisch scheinen YPG/PKK-Anhänger demnach der EU mehr zu vertrauen, wenn es darum geht, ihrem ideologischen Feldzug Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen, als der Russischen Föderation unter Putin.

Entführungen und Drohungen als Maßnahmen zur Rekrutierung

Die PKK führt seit fast 40 Jahren einen Terrorkrieg gegen den türkischen Staat. In der Türkei, den USA und der EU ist sie als terroristische Organisation eingestuft. Unter anderem dienen Drogengeschäfte oder Schutzgelderpressung der Gruppe zur Beschaffung von Finanzmitteln. Ihr wird vorgeworfen, durch Täuschung, Einschüchterung und Entführungen junge Menschen – häufig Minderjährige – für ihren terroristischen Kampf zu rekrutieren.

In der Türkei wird die Organisation für den Tod von etwa 40.000 Menschen verantwortlich gemacht. Die türkische Regierung hat vor allem Regierungen in der EU mehrfach für ein aus ihrer Sicht zu wenig entschlossenes Vorgehen gegen die Terroristen kritisiert. Geheimdiensten zufolge betrachtet die PKK Europa als „ruhiges Hinterland“, seit mehrere Terrorakte etwa in Deutschland 1993 zum Verbot der Vereinigung geführt hatten.

TRT Deutsch