Das türkische Bohrschiff Kanuni liegt im Hafen von Haydarpaşa in Istanbul. (Reuters)
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von Ali Özkök Anfang Juni hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan mitgeteilt, dass es türkischen Explorern bei Erkundungsbohrungen gelungen sei, ein Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer mit Reserven von bis zu 135 Milliarden Kubikmetern zu entdecken. Dieses befinde sich im nördlichen Sakarya-Gasfeld.

Bereits im Vorjahr war man in der Region auf Gesamtvorkommen von bis zu 405 Milliarden Kubikmetern gestoßen. Es handelte sich um den bis dahin größten Fund im Schwarzen Meer. Die Türkei will die Vorkommen nun primär in Eigenregie erschließen.

TRT Deutsch hat mit Thomas Purdie, einem Forschungsanalysten des Think-Tanks Wood Mackenzie gesprochen. Er hatte gegenüber der „Hürriyet“ davon gesprochen, dass der Fund die Position der bis dato stark importabhängigen Türkei in der Region nachhaltig verändern könnte.

Sie gehen davon aus, dass es die Entdeckung von etwa 540 Milliarden Kubikmetern an Erdgasreserven im Amasra-1-Feld der Türkei ermöglichen wird, ihre Abhängigkeit von ausländischen Exporten in signifikanter Weise zu verringern. Was könnte das für die Region insgesamt bedeuten?

Die Türkei ist überwiegend von Erdgasimporten abhängig. Sie decken 99 Prozent der Nachfrage. Den offiziellen Zahlen zufolge beläuft sich der Explorations-Erfolg der Türkei im Amasra-1-Becken in den Jahren 2020 und 2021 im Schwarzen Meer auf bis zu 540 Milliarden Kubikmeter. Gelingt es, 100 Prozent davon auszuschöpfen, entspräche das etwa dem Zwölfjahreswert der gesamten derzeitigen Gasnachfrage des Landes.

In der erweiterten Region ist der Effekt der türkischen Entdeckungen bereits zu spüren. Sie haben verdeutlicht, dass es in den tiefen Lagen des Schwarzen Meeres noch ein reichliches, nicht ausgeschöpftes Potenzial gibt und die Anrainerstaaten versuchen sich nun in einer Weise zu positionieren, die ihnen erlaubt, daraus Vorteile zu ziehen. Ein Beispiel dafür bietet die staatliche ukrainische Erdgasgesellschaft Naftogaz. Diese hat erst jüngst zahlreiche Offshore-Lizenzen eingeräumt bekommen, die sich bis an die türkische Grenze erstrecken.

Was kann die Türkei hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Gasexploration im Schwarzen Meer erwarten? Liegt das Beste noch vor ihr?

Das Schwarze Meer entwickelt sich zu einem ergiebigen Vorratsbecken. Bisher wurden seit 2010 über 20 Trillionen Kubikfuß (tcf) an Erdgasressourcen entdeckt. Der Großteil davon befindet sich in der Tiefsee, wo bereits die beiden Sakarya-Felder und auch die rumänischen Neptun-Deep-Felder aufgetan wurden.

Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass der überwiegende Teil des Beckens noch unerforscht ist. Die jüngsten Entdeckungen bestätigen, dass sich das Gasvorkommen von der Türkei nach Norden bis nach Bulgarien und Rumänien erstreckt. Das ist eine große freie Bahn mit viel verbleibendem Potenzial.

Die TPAO (türkische staatliche Ölgesellschaft) ist der größte Besitzer von Flächen zur Bewirtschaftung im Schwarzen Meer. Wir wissen bereits, dass das Unternehmen die Tiefsee-Exploration fortsetzen wird. Was wir wahrscheinlich sehen werden, ist eine Zunahme der Aktivitäten in den Nachbarländern, in denen das Ganze jetzt herumspricht. In Bulgarien zum Beispiel überlegt TotalEnergies, eine weitere Explorationsbohrung auf dem Khan-Asparuh-Block durchzuführen. Der Erfolg der Türkei auf der anderen Seite der Grenze könnte das Unternehmen dazu veranlassen, seine Position im Schwarzen Meer neu zu bewerten.

Wie werden internationale Player auf die jüngsten Entwicklungen reagieren? Wird die Region noch attraktiver für globale Investoren?

Die internationalen Öl- und Gasakteure achten mit Sicherheit auf die Entwicklungen im Schwarzen Meer. Tiefsee-Gasprojekte sind oft vorteilhaft, insbesondere im Kontext der Energiewende. Groß angelegte Schwarzmeer-Gasprojekte könnten hier attraktive Aussichten bieten, einschließlich guter kommerzieller Renditen dank wettbewerbsfähiger Steuerbedingungen und Preise.

Die größten Energieinvestoren, einschließlich der großen Player auf dem Öl- und Gasmarkt, verhalten sich jedoch äußerst diszipliniert bei ihren zukünftigen Investitionsstrategien. Dies betrifft insbesondere Entscheidungen über den Einstieg in Kohlenwasserstoffprojekte in einem neuen Land oder einer neuen Region oder die Frage, wie man am besten mit technischen und überirdischen Risiken umgeht.

Das Schwarze Meer, einschließlich seiner türkischen Gewässer, hat viele attraktive Investitionsziele, aber auch einige Herausforderungen. Wenn ein internationaler Partner für Sakarya oder andere Projekte am Schwarzen Meer gesucht wird, könnte die Zeit von entscheidender Bedeutung sein.

Außerdem könnten regionale Kooperationen eine Überlegung wert sein, wenn man bedenkt, dass OMV Petrom in Rumänien und Naftogaz in der Ukraine strategisch auf Schwarzmeergas setzen.

Vielen Dank für das Gespräch!


TRT Deutsch