Der Kurs der Kryptowährung Bitcoin ist am Freitagabend auf deutlich unter 50.000 Euro gefallen, nachdem er in der Vorwoche diese Marke bereits an mehreren Tagen übersprungen hatte. Grund dafür ist eine Entscheidung der türkischen Zentralbank (CBRT), die eine Verwendung der digitalen Währung als ungesetzlich einstufte. Zum Ende des Monats werde man die Nutzung von Kryptowährungen zu Zahlungszwecken untersagen.
Als Grund für die Entscheidung nennt die Zentralbank unter anderem, dass es an Kontrollmechanismen und einer „zentralen Autorität zur Regulierung“ fehle. Zudem seien Kryptowährungen „extrem volatil“ und das Risiko der Nutzer sei hoch. Digitale Brieftaschen („Wallets“) könnten gehackt, gestohlen oder unrechtmäßig benutzt werden. Transaktionen wären in diesem Fall unwiderruflich, geprellte Nutzer würden ihre Bestände nicht zurückbekommen.
In der Türkei war das Interesse an Kryptowährungen zuletzt deutlich gestiegen. Zu Beginn des Jahres sind den Mitteilungen von Tauschdiensten wie BtcTurk und Paribu zufolge täglich Kryptowährungen im Gegenwert von mehr als einer Milliarde US-Dollar gehandelt worden.
Fußballvereine springen auf Bitcoin-Zug auf
Die Plattform BtcTurk, die mehr als eine Million Nutzer zählt, ist mittlerweile auch als Sponsor für die türkische Fußball-Nationalmannschaft in Erscheinung getreten. Traditionsvereine wie Galatasaray und Trabzonspor haben „Fan-Münzen“ in Kryptowährung aufgelegt, Başakşehir will eine Blockchain-basierte Plattform zum Handel für solche „Tokens“ schaffen, auch Beşiktaş und Fenerbahçe wollen noch im Laufe des Jahres ähnliche Projekte lancieren.
Der Zuspruch der türkischen Bevölkerung und dabei vor allem jüngerer Bürger zur Kryptowährungen ist dermaßen stark gestiegen, dass mittlerweile sogar Universitäten wie Kadir Has oder Bahçeşehir in Istanbul Kurse und Vorlesungen anbieten. Sie wollen damit nicht nur das finanzielle Fingerspitzengefühl der potenziellen Nutzer optimieren, sondern auch Expertise und Entwicklung im Bereich der Blockchain vorantreiben.
Mit dem Run auf Kryptowährungen folgt das Land einem internationalen Trend. Die bekannteste Kryptowährung, der Bitcoin, galt noch zu Beginn der 2010er Jahre als Spielerei für Insider. Als der Bitcoin 2017 nach einem Zwischenhoch bei mehr als 13.000 Euro eine deutliche Korrektur erfuhr, glaubten viele Experten bereits daran, dass die digitale Währung ihren Zenit überschritten hätte.
Gold als Krisenwährung den Rang abgelaufen
Die Corona-Krise hat der führenden Kryptowährung hingegen neuen Schwung verliehen. Die gestiegene Bedeutung von Home-Office-Tätigkeiten, Ausgangssperren und Hilfspakete von Staaten und Notenbanken im Billiarden-Bereich beflügelten die Nachfrage. Im November des Vorjahres hatte der Bitcoin seinen knapp drei Jahre alten Kursrekord egalisiert.
Dass Tesla-Chef Elon Musk Anfang Februar 2021 erklärte, er wolle mit 1,5 Milliarden US-Dollar in den Markt einsteigen und den Bitcoin künftig als Zahlungsmittel anerkennen, ließ den Kurs explodieren. Derzeit bewegt sich der Kurs des Bitcoin immer noch nahe an der 50000-Euro-Marke und hat diese im Laufe der vergangenen Woche sogar mehrfach überschritten.
Demgegenüber hat Gold als der bislang beliebteste „sichere Hafen“ für Krisenzeiten an Interesse eingebüßt. Parallel zur deutlichen Aufwärtsbewegung des Bitcoins ist der Goldpreis vom Zwischenhoch von 2015 US-Dollar pro Unze im August 2020 auf mittlerweile 1780 USD gefallen.
In der Türkei hat der Zulauf zum Bitcoin und häufig noch volatileren, alternativen Kryptowährungen eine Vielzahl an Gründen – wie etwa die aktuelle Inflationsrate.
„Türken sind Händler, sie horten nicht“
Die nunmehrige Entwicklung weckt in der Türkei allerdings Urängste. Seit den 1970er Jahren hatte das Land mit zum Teil exorbitant höhen Raten zu kämpfen. So erreichte die Inflation im Jahr 1979 ganze 81,84 Prozent. Im Jahr 1994 stieg sie sogar auf 120,31 Prozent. Zwischen 2004 und 2016 lag sie hingegen mit einer Ausnahme in jedem Jahr nur noch im einstelligen Bereich.
Krypto-Berater Onur Gozupek von BtcTurk zufolge gehört die Türkei weltweit zu den Top 5 unter den Nutzern von Kryptowährungen. Jeder fünfte Bürger verfüge demnach über irgendeine Form von „Krypto-Anbindung“. Der Krypto-Bericht der Technologiebehörde ICTA von 2020 schätzte die Zahl der aktiven Nutzer von Kryptowährungen in der Türkei auf 2,4 Millionen – was drei Prozent der Bevölkerung entspräche.
Gozupek hält dies auch für eine Mentalitätsfrage:
„Türken sind Händler, sie horten nicht. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage sehen Menschen Kryptowährungen als eine Möglichkeit, kurzfristig an Geld zu gelangen und vielleicht sogar reich zu werden.“