Streit um Nord Stream 2: Pipeline nicht entscheidend für Versorgung (Symbolbild) (TRT)
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Das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 gerät in die Kritik. Dabei fehlen nur noch 148 Rohrkilometer bis zur Fertigstellung. Nach der Verhaftung des russischen Kreml-Kritikers Alexei Nawalny wird erneut über den Weiterbau diskutiert. Dabei stellt sich die Frage: Ist Deutschland auf russisches Gas angewiesen?

Mehr Energiesicherheit in Europa

Die Gaspipeline liefert Gas von Russland durchs Meer nach Norddeutschland und ist mit Kosten in Höhe von zehn Milliarden Euro veranschlagt. Mit diesem Projekt würde es Russland gelingen, Transitländer zu schwächen. Die Ukraine verdiene mit Durchleitungsgebühren geschätzte zwei Milliarden Euro, berichtet „OÖNachrichten“.

Der Durchfluss durch die Ukraine sei unsicher. Die Bundesregierung propagiere daher die neue Pipeline als ein reines Wirtschaftsprojekt und als Mittel für die Energiesicherheit in Europa.

Nord Stream 2 sei aber kein rein wirtschaftliches Projekt. Vielmehr spielten hier politische Interessen eine Rolle. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei die Pipeline eine Möglichkeit, sich Deutschland als Partner zu erhalten. Auch wenn es derzeit wegen Nawalny Konflikte gebe, soll weitergebaut werden. Die Kritik aus Deutschland sei daher auch nur halblaut gewesen.

„Nicht von existentieller Bedeutung“

Nach Meinung von Energieökonom Marc Oliver Bettzüge ist die umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 aus energiewirtschaftlicher Sicht „nicht von existentieller Bedeutung für die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Gasversorgung in Deutschland oder Europa.“

Zwar könnte Nord Stream 2 Modellrechnungen zufolge die Gaspreise in der Europäischen Union spürbar senken. Eine Angebotslücke beim Gas drohe aber ohne die Pipeline nicht, sagte der Professor für Volkswirtschaftslehre, Energie und Nachhaltigkeit an der Universität zu Köln in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ). „Die bestehende Importkapazität würde auch ohne die Pipeline Nord Stream 2 ausreichen, um den absehbaren Gasbedarf in der EU abzudecken“, so der Experte.

Verlierer und Gewinner von Nord Stream 2

Deutschland hält sich energietechnisch alles offen. Der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle sei beschlossen und Gas sei beim Übergang zu erneuerbarer Energie hilfreich. Auch die Franzosen wollten den Stopp der Pipeline, denn sonst könne Deutschland in der EU noch mächtiger werden. Und die USA wolle den Europäern mehr von ihrem Fracking-Gas verkaufen und sei deswegen gegen Nord Stream2. Mit einer Abhängigkeit von Russland habe das wenig zu tun. An dieser Haltung unterscheide sich die Biden-Administration nicht von der Trump-Regierung.

Ein Baustopp von Nord Stream 2 könne allerdings zu einem Debakel für die Finanziers und Anteilseigner werden. Neben Mehrheitseigner Gazprom sind ENGIE, OMV, Shell, Uniper und Wintershall Dea an dem Projekt beteiligt. Die investierten Milliarden wären bei einem Baustopp verloren.

Allerdings gibt es laut Medienberichten jetzt schon einen Gewinner. Die russische Baufirma Strygazmontazh habe die Pipeline in Russland zu stark erhöhten Preisen erstellt. Arkadi Rotenberg, dem Gründer des Unternehmens, soll auch ein prachtvoller Palast am Schwarzen Meer gehören. Nawalny-Anhänger skandierten auf Demonstrationen, der Palast gehöre eigentlich Putin.

TRT Deutsch und Agenturen