Lieferengpässe und die Folgen des Ukraine-Krieges haben die deutsche Wirtschaft im Frühjahr ausgebremst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im zweiten Quartal gegenüber dem ersten Vierteljahr 2022, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Zu Jahresbeginn war Europas größte Volkswirtschaft nach den jüngsten Daten noch um 0,8 Prozent gewachsen.
Die schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit der Corona-Pandemie, gestörten Lieferketten, steigenden Preisen und dem Krieg in der Ukraine schlügen sich deutlich in der Konjunktur nieder, erklärte die Wiesbadener Behörde. Gestützt wurde die Konjunktur demnach vor allem von den privaten und staatlichen Konsumausgaben, während der Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum dämpfte.
Russlands Angriff auf die Ukraine verschärft vorhandene Probleme
Der Ukraine-Krieg verschärft Probleme, die der deutschen Wirtschaft schon zuvor zu schaffen machten. Steigende Energiepreise und anhaltende Lieferengpässe belasten die Industrie. Zugleich bremst die höchste Inflation seit Jahrzehnten den privaten Konsum, der eine wichtige Stütze der deutschen Konjunktur ist.
Nach Angaben der GfK-Konsumforscher hat sich das Ausgabeverhalten der Menschen in Deutschland mittlerweile spürbar verändert. Bei Gütern des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln oder Körperpflegeprodukten schnallen Verbraucherinnen und Verbraucher demnach den Gürtel enger. Die Konsumlaune sank zuletzt auf ein Allzeittief. „Zu den Sorgen um unterbrochene Lieferketten, den Ukraine-Krieg und stark steigende Energie- und Lebensmittelpreise, kommen nun Befürchtungen um eine ausreichende Gasversorgung von Wirtschaft und privaten Haushalten im nächsten Winter“, erläuterte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl.
Ifo-Präsident: „Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“
Zugleich hat sich die Stimmung in den Unternehmen deutlich verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima, für das etwa 9000 Unternehmen ihre gegenwärtige Geschäftslage und die Erwartungen für die nächsten sechs Monate beurteilen, sank im Juli auf den niedrigsten Stand seit gut zwei Jahren. „Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. „Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur.“
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer geht davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft bereits in einem Abschwung befinden dürfte. Wie schlimm es am Ende komme, liege vor allem in den Händen von Russlands Präsident Wladimir Putin. „Käme es zu einem kompletten Stopp der Gaslieferungen, wäre eine tiefe Rezession unvermeidlich.“ Das bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr wachsen, sondern schrumpfen würde.
Nach Einschätzung der EU-Kommission wird Europas größte Volkswirtschaft dieses Jahr voraussichtlich nur um 1,4 Prozent zulegen. Der Internationale Währungsfonds rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von nur 1,2 Prozent im Gesamtjahr.
29 Juli 2022
dpa
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