Bauprojekte werden storniert (dpa)
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In der deutschen Baubranche werden im Moment einer Ifo-Umfrage zufolge ungewöhnlich viele Projekte storniert. Beim Hochbau betrug der Anteil der betroffenen Unternehmen im Juni 11,5 Prozent, im Tiefbau waren es 9,0 Prozent, wie das Ifo in München am Freitag mitteilte. Die Größenordnung sei vergleichbar mit dem Corona-Schock im Frühjahr 2020.

Engpässe bilden sich nur langsam zurück

Die Auftragsbücher seien im Mittel zwar weiterhin „prall gefüllt“, erklärte Ifo-Forscher Felix Leiss. Doch es fehle vielerorts an Material: 47,1 Prozent der Hochbauunternehmen meldeten im Juni Lieferengpässe, im Tiefbau waren es 39,7 Prozent. Im Mai waren die Anteile noch deutlich höher gewesen, aber: „Diese Engpässe bilden sich nur langsam zurück.“ Dabei komme es teils zu rasanten Preisanstiegen infolge der Knappheit. Auch die hohen Energiepreise wirken laut Ifo preistreibend bei vielen Baustoffen. Im Mittel erwarten die Betriebe der Umfrage zufolge, dass die Engpässe noch knapp neun Monate andauern. „Die Unternehmen müssen die höheren Preise für Material und auch Kraftstoff an die Kunden weitergeben, und so steigen die Baupreise weiter rasch“, erläuterte Leiss. Die Bauherren müssten gleichzeitig die höheren Zinsen tragen. Im Wohnungsbau komme die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Fördermöglichkeiten dazu. „Dies führt dazu, dass einige Projekte überdacht werden müssen.“

Industrieverband fordert stärkere Standardisierung

Ohne eine stärkere Standardisierung und Industrialisierung in der Bauwirtschaft sind zentrale Infrastrukturziele wie der Neubau von jährlich 400.000 Wohnungen nach Einschätzung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) nicht zu erreichen. Bauen und Sanieren müssten „deutlich effizienter und produktiver werden“, forderte der Dachverband in einem am Freitag in Berlin veröffentlichten Positionspapier. „Dazu muss die bisher vorherrschende Kleinteiligkeit beim Bauen überwunden werden.“ Der BDI verwies dabei unter anderem auf das von der Berliner Ampelkoalition ausgegebene Ziel des Neubaus von 400.000 Wohnungen pro Jahr, um die Lage auf den Wohnungsmarkt zu entspannen. Dazu kämen weitere Herausforderungen für die Bau- und Immobilienwirtschaft im Rahmen der Verkehrs- und Energiewende, etwa die energetische Sanierung des Wohnungsbestands oder der Aus- und Umbau der Verkehrsinfrastruktur. Ein weiterer Kapazitätsausbau der Bauwirtschaft allein werde vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen alleine nicht ausreichen.

Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr unrealistisch

Nötig sei deshalb zudem eine „Industrialisierung und Digitalisierung“, hieß es in dem Papier. Dieses erfordere neben „seriellen, modularen und typisierten Methoden“ vor allem „eine neue partnerschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette Bau“, die letztlich von den Architekturbüros über das Baugewerbe und die Zulieferindustrie bis zur Immobilienwirtschaft reiche. Zentral sei außer der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auch eine Digitalisierung von Verwaltungs- sowie Projektmanagementprozessen.

Der Gesamtverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) stufte das Ziel des Neubaus von 400.000 Wohnungen pro Jahr bereits als unrealistisch ein. In den nächsten drei bis vier Jahren sei dies „illusorisch“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko der „Bild“-Zeitung vom Freitag. So würden in diesem Jahr bundesweit lediglich rund 250.000 Wohnungen neu entstehen. Probleme bereiteten steigende Baukosten und lange Genehmigungsverfahren. Außerdem müsse das Förderwesen der staatlichen Förderbank KfW reformiert werden, forderte der Verbandspräsident.

AFP