Wahl 2021: Schlussrunde (dpa)
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Es ist die Blaupause für die große Elefantenrunde nach der Bundestagswahl am Sonntag: Das Spitzenpersonal aller großen Parteien steckt seine Territorien ab. Keine drei Tage vor dem Urnengang richtet sich der Blick bei der TV-„Schlussrunde“ schon darauf, wer zusammen passen könnte - und weniger auf Wahlausgang und Programme. ARD und ZDF haben die Politiker in vermeintliche Lager geordnet: Auf der einen Seite der Moderatoren Linke, Grüne und SPD, auf der anderen CDU, CSU, FDP, ganz außen die AfD. Doch so einfach ist es diesmal nicht, wenn es um mögliche Koalitionen geht. Man muss auf Nuancen achten: Wer blinkt in Richtung welcher Koalition, wer geht auf Distanz zu wem? Und wie gehen der gescheiterte und der tatsächliche Kanzlerkandidat der Union miteinander um? Ein Blick auf die Achsen in der Auseinandersetzung von sechs Spitzenkandidaten und CSU-Chef Markus Söder: Rot und Grün gesellt sich gern? SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz macht keinen Hehl daraus, dass die Grünen sein Lieblings-Koalitionspartner sind. Ob die Grünen das auch so sehen und zusammen mit SPD und FDP eine Ampel anstreben - oder ob sie doch lieber eine Jamaika-Koalition mit Union und FDP eingehen, ließ Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in der Schlussrunde offen. Im letzten Triell der Kanzlerkandidaten am vergangenen Wochenende hatte man zeitweise fast den Eindruck eines Schulterschlusses zwischen ihr und Scholz, etwa als sie sich beim Thema Mindestlohn gegenseitig die Bälle zuspielten. Diesmal sind die Zwischentöne andere: Wo war die SPD, als die Sozialwohnungen abgeschafft wurden, fragte etwa Baerbock. Zum umstrittenen Mietdeckel sagte Scholz klar Nein, Baerbock vermied eine eindeutige Position. Ausdrücklich ging sie auf Distanz zu beiden derzeitigen Regierungsparteien, die sich aktuell in den Umfragen duellieren. „CDU und SPD stehen für Weiter so“, erklärte sie. Die Grünen wollten ein neues Kapitel beim Klimaschutz aufschlagen - und dies mit den Parteien tun, mit denen das am besten gelinge. Am liebsten natürlich, so betonte Baerbock, in einer grün geführten Regierung. Laut den Umfragen scheint das aber keine Option mehr zu sein. FDP plus X Die Situation der FDP ähnelt der der Grünen: Nach derzeitigem Stand scheinen Koalitionen sowohl mit Union und Grünen, als auch mit SPD und Grünen möglich. Beide könnten Königsmacher sein. Bislang hat Parteichef Christian Lindner kräftig in Richtung Union geblinkt - auch diesmal, jedoch ließ er ein kleines Türchen offen, ausgerechnet beim Thema Finanzpolitik, dem Kernthema der Liberalen. Die Schuldenbremse aufzuweichen, sei „fraglos“ ein Ausschlusskriterium für eine Koalition, sagte Lindner zwar in Richtung der Grünen. Zugleich betonte er, die Einhaltung der Schuldenbremse bedeute nicht, dass man gar keine Schulden aufnehmen dürfe. Genau das hat die SPD vor: Schuldenbremse im Grundgesetz behalten - aber für Investitionen so viel Geld aufnehmen, wie darin erlaubt ist. Auch die vollständige Abschaffung des Solis bezeichnet Lindner nur noch als „wünschenswert“ statt als absolute Bedingung. Zugleich betonte er jedoch, inhaltliche Schnittmengen seien in einer Jamaika-Koalition mit der Union am größten. „Grüne Schulden, rote Steuererhöhungen, gibt es mit uns nicht.“ Die Union unter sich - weder neue Spitzen noch traute Einigkeit Neue Spitzen gegen Laschet gab es von Markus Söder zwar nicht. Doch der CSU-Chef zeigte gleich bei seiner ersten Antwort, was für ein Wahlkämpfer in ihm steckt - und was der Unterschied zu Laschet neben ihm ist. Es ging um die Bluttat von Idar-Oberstein, wo ein 49-Jähriger den Kassierer einer Tankstelle erschossen haben soll, weil der ihn auf die Maskenpflicht hinwies. Ein „klares Stoppschild“ verlangte Söder gegen jene, „die diesen Staat bedrohen und einschüchtern wollen“. Bei Unionsanhängern dürften die markigen Worte ankommen. Laschet konnte seinem alten Rivalen im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur da nur mit leicht nach oben gezogener Augenbraue von der Seite zuschauen. Der Punkt beim Unions-Kernthema Innere Sicherheit ging an Söder. Laschet selbst geriet gleich zu Beginn in den Verteidigungsmodus, als ihm vorgehalten wurde, die Unionsfraktion habe doch das „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“ im Bundestag verhindert. Auch sein Angriff gegen Scholz in der Wohnungspolitik verpuffte später: Bevor ein Streit der beiden Hauptgegner im Kampf ums Kanzleramt überhaupt in Fahrt kam, wechselten die Moderatoren das Thema. Linke Hoffnungen? Die Linken liegen in Umfragen mit sechs bis sieben Prozent zwar klar hinten, können aber trotzdem von einer Regierungsbeteiligung träumen - jedenfalls, wenn Rot-Grün-Rot zustande käme. Laschet und Söder stellen es als ziemlich sicher dar, dass Scholz diese Option wählen würde. Doch wie nah rückte die Linken-Spitzenkandidatin Janine Wissler eigentlich an die SPD heran? Bei Mietendeckel und Schuldenbremse machte sie eher Unterschiede deutlich, deutete aber an, dass man über das linke Nein zur Nato tatsächlich sprechen könne. Der dritte Moderator Nach knapp einer Stunde schlüpfte Lindner plötzlich in die Rolle des Fragestellers, dreht sich nach rechts zu seiner Sitznachbarin: „Wie stehen Sie dazu, Frau Weidel, dass mit chinesischem Kapital deutsche Unternehmen gekauft werden und das europäischen Unternehmen in gleicher Weise in China nicht möglich ist?“ ZDF-Mann Theo Koll bat um „eine ganz kurze Antwort an unseren dritten Moderator“.

dpa