Als der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch am Montag die Option einer Minderheitsregierung in Deutschland ins Spiel brachte, ging dies im Wust der Nachrichten fast unter. Nimmt man noch Medienberichte dazu, die über angebliche Neuwahl-Planungen im Präsidialamt berichten, wird klar: Politische Akteure und Bürger sind nicht mehr sicher, wie lange die Ampel-Regierung noch im Amt sein wird. Es gibt fünf Szenarien für mögliche Entwicklungen:
ES PASSIERT NICHTS - WAHL AM 28. SEPTEMBER 2025
Hochrangige Mitglieder der Regierung betonen immer wieder, dass es am wahrscheinlichsten sei, dass das Ampel-Bündnis trotz schlechter Umfragewerte und gegenseitiger Genervtheiten bis zum Ende halten werde. In diesem Fall finden die Bundestagswahlen wie offiziell vorgesehen am 28. September 2025 statt. Als Grund nannte etwa die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, dass SPD, Grüne und FDP noch eine ganze Reihe wichtiger Projekte beschließen wollten. Außerdem weisen Demoskopen darauf hin, dass Parteien in der auf Stabilität fixierten Bevölkerung normalerweise nicht punkten können, wenn sie eine Regierung platzen lassen.
EIN AMPEL-PARTNER STEIGT AUS
Aber selbst in hohen Ampel-Kreisen wird angesichts der Anspannung und der massiven Kritik an der Ampel nicht ausgeschlossen, dass es eine Dynamik zum Regierungsbruch geben könnte - auch wenn niemand diesen bewusst ansteuere. „Die FDP stellt zu viele rote Linien auf“, beklagt etwa ein hochrangiger Ampel-Vertreter. Die SPD wiederum hat als rote Linie definiert, dass unbedingt das Rentenpaket II beschlossen werden müsse - vor dem Haushalt 2025. Durch diese Festlegungen steigt die Gefahr, dass das Nicht-Erreichen einzelner Ziele die angeschlagenen Ampel-Parteien zum Rückzug bringen könnte. Kanzler Olaf Scholz will zudem häufiger als in den ersten drei Jahren der Ampel seine Richtlinienkompetenz einsetzen und den Kurs bestimmen. Das könnte auf Widerstand von Grünen und FDP stoßen.
Dazu kommt, dass die Liberalen seit Wochen intern debattieren, ob sie bessere Aussichten auf einen Wiedereinzug in den Bundestag hätten, wenn sie die Ampel-Regierung vorzeitig verlassen und sich distanzieren. Dies legt ihnen CDU-Chef Friedrich Merz immer wieder nahe.
MINDERHEITSREGIERUNG
SPD-Generalsekretär Miersch betonte, dass in der bundesrepublikanischen Geschichte zwar wegen des großen Wunsches nach Stabilität immer Koalitionen gebildet wurden. Dies sei aber keineswegs immer nötig, zeige ein Blick in andere Länder. Im Klartext: Sollte etwa die FDP ausscheiden, könnte Scholz mit oder ohne die Grünen einfach weiterregieren. Scherzhaft sagte Miersch, dass man über eine solche Situation vielleicht schon bald reden werde.
„Wenn zuvor der Haushalt verabschiedet ist, wäre das auch kein Problem“ meint ein SPD-Politiker. Sogar ein Scheitern der Haushaltsverhandlungen für 2025 sei kein unüberbrückbares Hindernis. Denn mit der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung ließe sich noch monatelang regieren. Der Vorteil aus Sicht der Kanzlerpartei SPD: Sie könnte klarer machen, welche Politik sie umsetzen wolle - woran sie nach Aussagen von SPD-Politikern häufig von der FDP gehindert worden sei. Der Vorteil für FDP und Grüne: Sie bräuchten nur noch Projekte mittragen, von denen sie vollständig überzeugt sind.
Dennoch gilt dieses Szenario intern als wenig wahrscheinlich. „Angesichts der Unbeliebtheit dieser Regierung dürfte der öffentliche Druck nach Neuwahlen sehr schnell steigen“, sagt ein Regierungsmitglied.
UNION STÜTZT DIE SPD
Immer wieder wurde eine Stützung einer SPD-geführten Minderheitsregierung durch die oppositionelle Union als eine Option ins Gespräch gebracht. Tatsächlich hatte Oppositionsführer Merz Kanzler Scholz im vergangenen Jahr angeboten, dass die Union Reformen mittragen könnte, wenn diese mit FDP und vor allem den Grünen nicht möglich seien. Und im politischen Berlin stehen die Zeichen ohnehin auf die Bildung einer schwarz-roten Koalition nach den Bundestagswahlen. Aber dieses Szenario gilt dennoch als sehr unwahrscheinlich. „Heute würden CDU und CSU Scholz schon wegen der guten Umfragewerte keine Hilfe mehr leisten, um noch etwas weiterregieren zu können“, heißt es in der Union.
NEUWAHLEN
Sollte die Ampel tatsächlich zerbrechen, gelten Neuwahlen deshalb als wahrscheinlichere Variante. Aber der Weg dorthin ist nicht einfach. Vorgezogene Neuwahlen fanden nur 1972, 1983 und 2005 statt. Nötig ist, dass der Kanzler die Vertrauensfrage stellt. Erst wenn er dann nicht die Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten bekommt, kann der Bundespräsident das Parlament auflösen. Neuwahlen müssten in diesem Fall innerhalb von 60 Tagen angesetzt werden. Im Bundespräsidialamt dementierte eine Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage, dass es Planungen für diesen Fall gebe und man bereits Termine im März identifiziert habe.