Die bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind „sehr eng und vertrauensvoll“. Dies sagte Jürgen Schulz, deutscher Botschafter in der Türkei auf einer Pressekonferenz in der türkischen Hauptstadt Ankara. Bei dieser Gelegenheit sprach der Botschafter den Opfern der Waldbrände sein „Beileid“ aus, berichtet die türkische Nachrichtenagentur „Anadolu“.
Deutschland fühle sich sehr mit den Menschen in der Türkei verbunden, unterstrich der Diplomat. Gleichzeitig erinnerte Schulz an die Flutkatastrophe in Westdeutschland und in Belgien. Deutschland bemühe sich derzeit, die Folgen der Katastrophe zu bewältigen. Bei den Überschwemmungen kamen 180 Menschen ums Leben.
Bilaterale Beziehungen bleiben nach Bundestagswahl intakt
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten einen „regelmäßigen Austausch“ miteinander gepflegt, betonte Schulz: Sie telefonierten häufig und führten Videokonferenzen. Dieser regelmäßige Austausch sei für beide Länder sehr, sehr wichtig, fügte der Botschafter hinzu. Zwar seien sie sich nicht immer einig, aber das „gehört zum Leben“.
Dem Anadolu-Bericht zufolge machte Schulz zum Ausgang der bevorstehenden Bundestagswahlen keine Vorhersagen. Fest stehe: Wer auch immer Bundeskanzlerin Merkel und dem Kabinett folge, die engen politischen Beziehungen und Kontakte zwischen beiden Ländern werden bestehen bleiben.
Türken leisten „enormen Beitrag zu wirtschaftlicher Erfolgsgeschichte“
Auch die Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern seien eng miteinander verflochten, betonte der Diplomat. Das Handelsvolumen zwischen Deutschland und der Türkei habe im vergangenen Jahr trotz der Coronavirus-Pandemie etwa 37 Milliarden Euro betragen.
Anlässlich des 60. Jahrestag des türkisch-deutschen Anwerbeabkommens hob der Botschafter zudem die „menschlichen Brücken“ zwischen den beiden Ländern hervor. Heute lebten mehr als drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln in Deutschland.
Türken hätten einen enormen Beitrag zur wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte Deutschlands geleistet. Viele von ihnen seien auch als Filmregisseure, Künstler, Ärzte, Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler äußerst erfolgreich. Ein prominentes Beispiel sei das von türkischstämmigen Wissenschaftlern gegründete Unternehmen Biontech. Sie entwickelten einen erfolgreichen COVID-19-Impfstoff.
Islamophobe Vorfälle nur „sehr kleiner Teil“ täglicher Lebensrealität
Zum Thema Islamophobie und Übergriffe auf die in Deutschland lebenden Türken verwies der Botschafter auf die deutschen Behörden. Diese seien „sehr gewissenhaft“ bei der Verfolgung und Bestrafung der Täter.
Die allermeisten Menschen mit türkischen Wurzeln führten ein „ganz normales Leben ohne Konflikte, ohne Probleme und leben gerne in Deutschland“. Berichte über derartige Vorfälle würden daher nur einen „sehr kleinen Teil“ dessen wiedergeben, was das normale Leben ausmache.
Schulz für Aktualisierung der Zollunion mit der EU
Laut Anadolu wünsche sich Deutschland eine stärkere strategische Zusammenarbeit zwischen Ankara und Brüssel. Die Türkei sei „natürlich kein gewöhnlicher Partner der Europäischen Union“. Vielmehr sei die Türkei ein ganz besonderes Land – vor allem als EU-Beitrittskandidat. Darüber hinaus sei die Türkei Mitglied der EU-Zollunion. Damit ergebe sich jetzt schon eine ganz besondere Beziehung. Deutschland wünsche sich aber, diese noch weiterzuentwickeln. Dazu zählten eine Aktualisierung der Zollunion von 1995, mehr Dialog auf hoher Ebene und eine engere Zusammenarbeit in Migrationsfragen. Das seien Ziele, die Berlin schon bald erreicht sehen wolle.
Die EU habe im vergangenen Jahr auf höchster Ebene einem ausgewogenen Ansatz zugestimmt. Damit werde der Türkei die Möglichkeit und die Chance für eine positive Agenda angeboten. Von Ankara werde im Gegenzug erwartet, mehr zur „strategischeren Zusammenarbeit“ beizutragen, dazu gehöre auch eine „Deeskalation im Mittelmeer“. Zudem müssten „die Grundrechte respektiert“ werden, erklärte Botschafter Schulz.
Im Hinblick auf den Zypernkonflikt wünsche sich Deutschland mehr Fortschritte zwischen der türkischen Republik Nordzypern und dem griechischen Teil von Zypern. Scholz lobte auch den Einsatz der Türkei für Flüchtlinge aus dem benachbarten kriegszerrütteten Syrien. Die EU wolle daher der Türkei mehr zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Bewältigung der Krise gewähren.