Eine Abhöraffäre bei der Luftwaffe erschüttert die Bundespolitik: Kanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Samstag eine „zügige“ Aufklärung an, nachdem russische Staatsmedien ein abgehörtes Gespräch von Bundeswehroffizieren über den Taurus-Marschflugkörper verbreitet hatten. Scholz sprach von einer „sehr ernsten Angelegenheit“. Das Verteidigungsministerium bestätigte einen Abhörfall bei der Luftwaffe, der Geheimdienst MAD leitete eine Untersuchung ein. Die Regierung in Moskau forderte ihrerseits „Erklärungen von Deutschland“.
Die Angelegenheit werde „jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt“, sagte Scholz in Rom. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte AFP: „Es ist nach unserer Einschätzung ein Gespräch im Bereich der Luftwaffe abgehört worden.“ Zum Inhalt machte das Ministerium keine Angaben, der Vorgang werde weiter geprüft. „Ob in der aufgezeichneten oder verschriftlichten Variante, die in den sozialen Medien kursieren, Veränderungen vorgenommen wurden, können wir derzeit nicht gesichert sagen“, sagte die Sprecherin.
Die Abhöraffäre dürfte auch innenpolitisch weite Kreise ziehen. Die Grünen pochen bereits auf Aufklärung seitens der Bundesregierung. In der kommenden Sitzungswoche werde die Partei „entsprechende Berichte in den zuständigen Ausschüssen und anderen Gremien beantragen“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz am Samstag.
Gespräch von vier mutmaßlichen Offizieren geleakt
Seit Freitag kursiert ein rund 38 Minuten langer Mitschnitt, in dem ein Gespräch zwischen vier deutschen Offizieren zu hören sein soll. Verbreitet wurde die Aufnahme von der Chefredakteurin des früher als Russia Today bekannten russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, im Onlinedienst Telegram. Der Mitschnitt ist undatiert, nach Simonjans Angaben fand die virtuelle Telefonkonferenz am 19. Februar statt.
In dem Gespräch geht es um einen möglichen Einsatz von deutschen Taurus-Marschflugkörpern, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben, durch ukrainische Streitkräfte und deren mögliche Auswirkungen.
Russland geht mit Westen hart ins Gericht
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte im türkischen Antalya, das nun veröffentlichte Gespräch zeige, „dass das Kriegslager in Europa immer noch sehr, sehr stark ist“. Die „Kriegspartei“ - also die westlichen Unterstützer der Ukraine - wolle ihren Kurs nicht ändern und Russland eine „strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zufügen“.
Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa forderte „Erklärungen von Deutschland". Versuche, die Beantwortung dieser Fragen zu vermeiden, würden „als Schuldeingeständnis bewertet werden“.