Zu Fuß gelangt man in zwei Minuten vom Wiener Außenministerium ins Kanzleramt. Dass Österreichs bisheriger Chefdiplomat Alexander Schallenberg nun Sebastian Kurz als konservativen Regierungschef ersetzen soll, ist ein logischer Schritt. Als jahrelanger Berater von Kurz ist Schallenberg nicht nur mit den Mechanismen im Machtzentrum der Republik vertraut. Der designierte 52 Jahre alte Kanzler bringt auch Verhandlungsgeschick und internationales Format mit, um im In- und Ausland die Wogen zu glätten, die durch Korruptionsvorwürfe gegen Kurz ausgelöst wurden.
Adelige und diplomatische Schule
Die spezielle Färbung seiner Sprache verrät Schallenbergs Abstammung aus ehemaligem österreichischen Adel, der sich auch durch den Tonfall vom Rest der Bevölkerung abhob. Sein Vater war Diplomat. Sohn Alexander wurde in Bern geboren und wuchs in Indien, Spanien und Frankreich auf. Die französischen Floskeln, die er im Gespräch oft einbaut, verstärken das Flair eines Diplomaten alter Schule.
Hinter der Weltgewandtheit steht ein Politiker mit glasklaren Ansichten, die er auch mit teils harten Worten kommuniziert - besonders, wenn es um seine restriktive Haltung zur Migration geht. Als die mitregierenden Grünen im Vorjahr die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager auf der griechischen Insel Lesbos forderten, sagte Schallenberg: „Das Geschrei nach Verteilung kann nicht die Lösung sein.“ Diesen Sommer meinte er, dass lokale Mitarbeiter von EU-Vertretungen in Afghanistan besser in Nachbarländer als nach Europa evakuiert werden sollten.
Entschiedener Befürworter der EU-Aufnahme der Westbalkanstaaten
Schallenberg setzt sich auch für die Erweiterung der EU auf dem Westbalkan ein, um dem Einfluss Russlands und Chinas in der Region einen Riegel vorzuschieben. Seine Karriere begann er als österreichischer Diplomat in Brüssel. Danach arbeitete er als Sprecher von Außenministern. Als Kurz noch Außenminister war, machte er den Vater von vier Kindern zu seinem Chefstrategen. Im Jahr 2019 wurde er Außenminister in einem Übergangskabinett und behielt den Posten, nachdem Kurz die Wahl im September 2019 gewonnen hatte.