Symbolbild. Anti-Atom-Aktivisten als Protest kleine gelbe Dosen mit dem Atom-Logo vor das AKW Gorleben gelegt. (dpa)
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Die EU-Kommission will Atomkraft als grüne Energiequelle einstufen – und stößt damit auf entschiedenen Widerstand in Deutschland. Die Brüsseler Behörde schickte in der Neujahrsnacht einen entsprechenden Verordnungsentwurf zur sogenannten Taxonomie an die Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten, der AFP am Samstag vorlag. Insbesondere von grünen Mitgliedern der Bundesregierung erntete er heftige Kritik. Teil des Streits ist auch die Rolle von Erdgas in der künftigen Energieproduktion.

Die nächste Verordnung zur Taxonomie wird seit Monaten mit Spannung erwartet. Die Taxonomie ist eine Art Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten und kommt einer Einstufung als förderwürdig und einer Empfehlung an Investoren gleich. Die Frage der Bewertung von Gas- und Atomenergie ist dabei eine der heikelsten Fragen, deren Beantwortung Brüssel wiederholt aufgeschoben hatte.
„Es muss anerkannt werden, dass der fossile Gas- und der Kernenergiesektor zur Dekarbonisierung der Wirtschaft der Union beitragen können“, heißt es nun in dem Brüsseler Entwurfspapier. Konkret schlägt die Kommission vor, dass bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke unter die Taxonomieverordnung fallen und der Bau entsprechend gefördert werden können sollte.

Dem Dokument zufolge soll der „Bau und sichere Betrieb neuer Kernkraftwerke zur Strom- oder Wärmeerzeugung, auch zur Wasserstofferzeugung, unter Einsatz der besten verfügbaren Technologien" als taxononmiekonform, also nachhaltig und klimafreundlich, gelten. Weitere Vorgaben sind etwa für den langfristigen Umgang mit radioaktiven Abfällen vorgesehen.

Für neue Gasinfrastruktur sollen laut Kommission bis 2030 genehmigte Projekte für das grüne Label infrage kommen. Die Regeln sind hier allerdings strenger, etwa sollen die fraglichen neuen Anlagen stets eine alte, CO2-intensive Anlage ersetzen. Auch soll nachgewiesen werden müssen, dass die geplante Energieproduktion nicht auch mit einer erneuerbaren Energiequelle geleistet werden könnte. Pläne laut Umweltministerin Lemke „absolut falsch“

Die Kommission leitete mit ihrem Entwurf einen Konsultationsprozess mit den Mitgliedstaaten ein. Die Reaktion aus Berlin fiel umgehend eindeutig ablehnend aus. Die Pläne seien „absolut falsch“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht“, erklärte Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne).

Vor allem Frankreich dringt mit Nachdruck auf eine Einstufung der Atomkraft als nachhaltig. Auch Polen und weitere östliche Länder, die mit Atomstrom ihre Klimabilanz verbessern wollen, sind dafür. Entschieden dagegen war bislang nur eine Minderheit der EU-Staaten, allen voran Deutschland, Österreich und Luxemburg.

Die zumindest eingeschränkt positive Bewertung von Erdgas im Kommissionspapier wurde als Entgegenkommen gegenüber den Atomkraft-Gegnern aufgefasst. Insbesondere Deutschland und Österreich sind stark von russischem Erdgas abhängig und wollen dessen Nutzung als Übergangstechnologie hin zur Klimaneutralität weiter fördern.

Die neue Bundesregierung hat hier allerdings keine geschlossene Linie. Während SPD-Kanzler Olaf Scholz am Kurs der Vorgängerregierung festhalten will, kommt aus den Reihen des grünen Koalitionspartners Kritik.

Habeck nannte die Pläne der EU-Kommission für den Umgang mit Erdgas „fraglich“. Immerhin mache die Kommission in diesem Punkt aber „sehr klar, dass Gas aus fossilen Brennstoffen nur ein Übergang ist und es durch grünen Wasserstoff ersetzt werden muss“, erklärte der auch für Wirtschaft zuständige Minister.

Der nun begonnene Konsultationsprozess mit den EU-Mitgliedstaaten soll rund zwei Wochen dauern. Mitte Januar will die Kommission dann den finalen Vorschlag vorstellen, der noch vom nun bekannt gewordenen Entwurf abweichen kann. Anschließend haben der Rat der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament jeweils ein Veto-Recht.

Die Chancen Deutschlands stehen hier aber schlecht: Um die Kommissionspläne aufzuhalten, bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedstaaten, die zudem für 65 Prozent der EU-Einwohner stehen. Auch im EU-Parlament, wo eine einfache Mehrheit für ein Veto reichen würde, zeichnet sich diese bislang nicht ab.

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AFP