Nach dem Nachweis von Polioviren im Abwasser des Gazastreifens will die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als eine Million Polio-Impfstoffdosen in den von Israel blockierten Gazastreifen schicken. „Die WHO schickt mehr als eine Million Polio-Impfstoffdosen, die in den kommenden Wochen verabreicht werden sollen“, erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Mittwoch vor Journalisten. Das Gesundheitspersonal im Gazastreifen brauche Bewegungsfreiheit, um die Impfungen verabreichen zu können, forderte er.
Der Nachweis des Polio-Erregers im Abwasser des Gazastreifens sei ein Hinweis darauf, „dass das Virus in der Bevölkerung zirkuliert und ungeimpfte Kinder gefährdet“, sagte Ghebreyesus. Ein Waffenstillstand oder zumindest ein paar Tage Waffenruhe seien für den Schutz der Kinder im Gazastreifen unerlässlich, betonte er.
Am 30. Juli hatte das Gesundheitsministerium im Gazastreifen das Palästinensergebiet zum „Polio-Epidemiegebiet“ erklärt. Die Behörde macht die Zerstörung der Gesundheitseinrichtungen durch Israels Armee für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich. Demnach wurde das Virus in Abwasserproben in der südlichen Stadt Chan Junis sowie im Zentrum des Gazastreifens nachgewiesen.
Die Krankheit Poliomyelitis - das medizinische Fachwort für Kinderlähmung - wird durch ein akut ansteckendes Virus ausgelöst, das das Rückenmark angreift und bei Kindern irreversible Lähmungen verursachen kann. Das Poliovirus wird in der Regel über die Fäkalien einer infizierten Person verbreitet und über verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel aufgenommen. Es gibt zwar keine Heilmittel gegen Polio, aber die Impfung verhindert die Ausbreitung.
Humanitäre Krise in Gaza
Israel hatte den Vergeltungsschlag der Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober als Vorwand genommen, um einen brutalen Vernichtungskrieg in Gaza zu starten. Erklärtes Ziel der israelischen Angriffe ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet.
Israel hat vor Monaten die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seither behindert.
Fast die gesamte Bevölkerung wurde aus ihren Häusern vertrieben. UN-Organisationen bezeichnen die humanitäre Lage vor Ort als katastrophal.
Von den 36 Krankenhäusern in Gaza sind nur noch 16 teilweise in Betrieb. Zudem leidet laut Hilfsorganisationen ein Großteil der Bevölkerung an Infektionskrankheiten, die aktuell nicht behandelt werden können.