Medienhäuser aus Deutschland fordern von den Regierungen in Israel und Ägypten in einem Offenen Brief Zugang für ihre Berichterstatter zum Gazastreifen. In dem gemeinsamen Appell heißt es: „Fast ein Jahr Krieg, und noch immer verhindern Ihre Regierungen, dass wir uns unbegleitet und unabhängig ein Bild über die Situation in Gaza machen können. Der fast absolute Ausschluss internationaler Medien bei einer Krise dieser enormen weltweiten Tragweite ist in der jüngeren Geschichte beispiellos.“
Wer unterschrieben hat
Der Offene Brief ist von Chefredakteuren und Intendanten von öffentlich-rechtlichen wie privaten überregionalen Medienhäusern unterzeichnet. Es sind „Der Spiegel“, „Die Zeit“ und „Zeit Online“, ARD, ZDF, „taz“, „Süddeutsche Zeitung“, „Stern“, Deutsche Welle, „Bild“, „Welt“, Arte, das Redaktionsnetzwerk Deutschland, „Handelsblatt“, RTL und ntv sowie die Organisationen Reporter ohne Grenzen und der Deutsche Journalisten-Verband. Außerdem hat Deutschlands größte Nachrichtenagentur Deutsche Presse-Agentur unterschrieben. dpa-Chefredakteur Sven Gösmann sagt: „Nichts ist wahrhaftiger als Augenzeugenschaft unabhängiger Journalistinnen und Journalisten - gerade für uns als Nachrichtenagentur. Deshalb unterstützen wir die Forderung, diese unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen.“
„Wir sind keine Konfliktpartei“
In dem Offenen Brief, der den Angaben zufolge am Montag übermittelt wurde und der sich konkret an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi richtet, steht weiter: „Wir sind keine Konfliktpartei.“ Wer unabhängige Berichterstattung über diesen Krieg unmöglich mache, beschädige die eigene Glaubwürdigkeit. „Wer uns verbietet, im Gazastreifen zu arbeiten, schafft die Voraussetzungen, dass Menschenrechte verletzt werden.“ Der Appell schließt mit den Sätzen: „Wir wissen um unser Risiko. Wir sind bereit, es zu tragen. Gewähren Sie uns Zugang zum Gazastreifen. Lassen Sie uns arbeiten – im Interesse aller!“
Immer wieder hatten Medien und Journalisten in den vergangenen Monaten beklagt, keinen ungehinderten Zutritt in die Nähe des Kriegsgeschehens im Gazastreifen zu bekommen.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der palästinensischen Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bislang Zehntausende Zivilisten von Israels Armee getötet.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 41.226 Menschen getötet und mehr als doppelt so viele verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder.
Kaum Zugang für Medienschaffende
Der Gazastreifen ist so gut wie abgeriegelt. In dem Offenen Brief fordern die Medienhäuser von Israel generell Zugang und von Ägypten Zugang speziell über den Grenzübergang Rafah. Nur vereinzelt hatten auch internationale Journalisten in Begleitung der israelischen Armee in den Gazastreifen reisen können.
Bereits am Montag hatte es einen weiteren Offenen Brief von zahlreichen Journalistinnen und Journalisten gegeben. Neben dem Schutz von Medienschaffenden forderten die Unterstützer des Offenen Briefs die Aufhebung des israelischen Einreiseverbots für unabhängige internationale Berichterstatter in Gaza. Es dürfte „keine ungeprüfte Übernahme von Darstellungen von Kriegsparteien in der Berichterstattung“ geben. Stattdessen forderten sie Quellenvielfalt, die Einbettung in den historischen und politischen Kontext sowie Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit palästinensischen Journalisten.
Seit dem 7. Oktober haben israelische Soldaten laut der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ mindestens 140 Journalisten in Gaza getötet.