In Neuseeland sind zwischen 1950 und 2019 bis zu einer Viertelmillion Kinder, Jugendliche und schutzbedürftige Erwachsene in kirchlichen sowie staatlichen Betreuungseinrichtungen missbraucht worden. Zu diesem Ergebnis kommt eine öffentliche Untersuchungskommission. Die Zahl entspricht fast 40 Prozent der insgesamt 655.000 Menschen, die sich in diesem Zeitraum in Pflege befanden, wie aus dem Abschlussbericht hervorgeht.
Bei der Auswertung wurde die „Vernachlässigung“ als ein Kriterium für Missbrauch ausgelassen. Sei sie einbezogen worden, würden die Zahlen „deutlich höher ausfallen“, stellen die Experten fest. Derartige Missbrauchsfälle in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen seien ein „ernstes und langjähriges gesellschaftliches Problem“.
„Es ist bedauerlich, dass es selbst bei den konservativsten Schätzungen mehr Missbrauch in der Pflege gegeben hat, als bisher angenommen“, sagte Coral Shaw, Vorsitzende der Untersuchungskommission, in einer Erklärung gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Auch die Regierung räumte ein, dass das Ausmaß von Kindesmissbrauch enorm sei. „Alle Kinder, die sich in der Obhut des Staates befinden, sollten vor Schäden sicher sein, aber wie das Zeugnis darlegt, war allzu oft das Gegenteil der Fall“, kritisierte der Minister für den öffentlichen Dienst, Chris Hipkins.
Der Kommissionsbericht räumte ein, dass vor allem Maori-Kinder betroffen sind. 81 Prozent der missbrauchten Kinder sollen dem indigenen Stamm der Maori angehören. Viele davon waren von ihren Familien entrissen und in staatliche Obhut genommen worden.Kritiker vermuten dahinter eine rassistische Motivation. Die Rede ist von einem Erbe des Kolonialismus.
Premierministerin Jacinda Ardern hatte die Untersuchungskommission 2018 angekündigt. Sie sagte damals, das Land müsse sich „einem dunklen Kapitel“ in seiner Geschichte stellen.