02.01.2018, Berlin: Blick auf die Gefängnismauer und zwei Wachtürme der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee. (dpa)
Folgen

Wenig Aufmerksamkeit für Häftlinge - und Spiralen der Gewalt: Die Gefangenengewerkschaft (GGBO) fordert einen schärferen Blick auf Gewalt in deutschen Justizvollzugsanstalten. „Das Thema ist da, aber es wird oft nicht ernstgenommen“, sagte Sprecher Manuel Matzke der Deutschen Presse-Agentur. „Es ist so, dass dieses System viel ignoriert. Das liegt auch am Personalmangel.“
Allein die bayerischen Justizvollzugsanstalten (JVA) meldeten für das vergangene Jahr insgesamt 226 Tätlichkeiten von Häftlingen. In 190 Fällen richteten sich diese Tätlichkeiten gegen Mithäftlinge, in 36 gegen Bedienstete, wie das Justizministerium in München mitteilte.
Aus Sicht Matzkes gibt es oft eine wahre Spirale der Gewalt. „Das steigert sich ja“, sagte er. Viele Gefangene hätten aber Angst, sich an jemanden zu wenden. „Man will ja nicht als Ratte dastehen.“ Und viele Justizvollzugsbeamte schauten nicht genau hin - aus Zeitnot oder Desinteresse. „Es ist wichtig, dass das System versteht, dass es mit Menschen arbeitet.“
Dreimal führten Gewaltdelikte in der jüngeren Vergangenheit in Bayern zum Tod eines Häftlings. Nach dem Tod eines Gefangenen im Jahr 2008 in der JVA Straubing wurde ein Mitgefangener wegen Mordes verurteilt, wie ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums sagte. Zwei Fälle innerhalb von nur zwei Jahren gab es im Gefängnis Bernau am Chiemsee. Dabei ging es jeweils um Körperverletzung mit Todesfolge.
Einer der Fälle wurde erstinstanzlich schon abgeurteilt, der zweite beschäftigt nun das Landgericht Traunstein. An diesem Dienstag (9.00 Uhr) beginnt dort der Prozess gegen einen Häftling aus Mali, der seinen Zellengenossen umgebracht haben soll. Dem Mann wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.
Er soll seinen Mithäftling im Oktober vergangenen Jahres in der gemeinsamen Zelle 267 so heftig in den Schwitzkasten genommen haben, dass das Opfer am Tag darauf im Krankenhaus an den Folgen starb. Zu einem mutmaßlichen Motiv machte die Staatsanwaltschaft keine Angaben. Konkreter Tatablauf und Auslöser seien unklar. Der mutmaßliche Täter soll aber an Schizophrenie leiden und schuldunfähig sein.
Wie die Polizei im vergangenen Jahr mitteilte, hatte der Häftling, der nun vor Gericht steht, selbst gemeldet, dass sein Zellengenosse aus Eritrea bewusstlos geworden sei. Er kam ins Krankenhaus, wo er einen Tag danach starb und eine Obduktion „äußere Gewalteinwirkung“ als Todesursache ergab.
Der mutmaßliche Täter hatte eine siebeneinhalbjährige Haftstrafe wegen eines versuchten Tötungsdelikts abzusitzen, er wäre voraussichtlich im Herbst 2022 freigekommen. Der Getötete war wegen eines Sexualdelikts inhaftiert und laut Polizei verurteilt - jedoch war das Urteil nicht rechtskräftig, weil dagegen Rechtsmittel eingelegt worden waren.

dpa