Rassistische Beleidigung, Gewalt, sexuelle Nötigung: Wegen Verdachts auf schweres Fehlverhalten unter deutschen Soldaten zieht die Bundeswehr einen kompletten Panzergrenadierzug aus dem Nato-Einsatz „Enhanced Forward Presence“ in Litauen nach Deutschland ab. Bei den Hauptbeschuldigten werde eine fristlose Entlassung nach dem Soldatengesetz geprüft, teilte das Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. In die Ermittlungen sei auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) eingebunden.
„Das Fehlverhalten einiger Soldaten in Litauen ist ein Schlag ins Gesicht aller, die Tag für Tag in der Bundeswehr der Sicherheit in unserem Land dienen“, schrieb Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) auf Twitter. „Die Entgleisungen beschädigen das Ansehen der Bundeswehr und Deutschlands. Das wird mit aller Härte bestraft werden.“
Im Zuge der Untersuchung gibt es auch weitere Verdachtsmomente, darunter auch hinsichtlich eines möglichen Fehlbestandes von 569 Schuss an Handwaffenmunition. Das Einsatzführungskommando hat ein Ermittlerteam entsandt, das auch dem Verdacht auf Buchungsfehler bei einer Schießübung nachgehen solle, wie eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums sagte. „Die werden jeden Stein umdrehen.“ Auch der Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres sei nach Litauen gereist.
Sexuelle Nötigung unter Soldaten
Der Fall war erst durch einen „Spiegel“-Bericht öffentlich geworden. Demnach sollen auf einer Party in einem Hotel - einer sogenannten Erholungsmaßnahme - nach übermäßigem Alkoholkonsum rechtsradikale Lieder gesungen worden sein. Es soll auch Schlägereien gegeben haben. Am gleichen Abend versuchte ein Soldat, so berichtet es der „Spiegel“, einem eingeschlafenen Kameraden seinen Penis in den Mund zu stecken. Die Szene wurde offenbar mit dem Handy gefilmt. Zudem soll am 20. April ein „Geburtstagsständchen“ für Adolf Hitler angestimmt worden sein.
Im Zusammenhang mit den Vorfällen geht die Bundeswehr von insgesamt zehn Beteiligten aus, ein Panzergrenadierzug besteht üblicherweise aus 34 Soldaten. Insgesamt sind in Litauen etwa 600 deutsche Soldaten in dem Einsatz, der der Abschreckung Russlands dienen soll. Das Verteidigungsministerium bestätigt keine Details bezüglich der Vorwürfe, ist aber höchst alarmiert.
Vorherige Behauptungen über Verfehlungen seien „Desinformation“ gewesen
Die Bundeswehr musste in Litauen eigenen Angaben zufolge mehrfach Desinformationsversuche abwehren, die den Eindruck von Fehlverhalten deutscher Soldaten erwecken sollten. „Gerade in Litauen, wo wir Seite an Seite mit unseren Nato-Partnern geschlossen für gemeinsame Werte einstehen, ist ein solches Verhalten Einzelner nicht nur unentschuldbar, es ist auch absolut beschämend für uns alle“, sagte die Sprecherin.
Das Verhalten, das nun Beschuldigten vorgeworfen werde, sei vollkommen inakzeptabel, bei der Polizei, bei Bund und Ländern und auch der Bundeswehr, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in einer längeren Erklärung zur Lage. Seibert: „In all diesen Fällen ist es richtig, mit äußerster Entschiedenheit aufzuklären und auch Konsequenzen zu ziehen, denn wer für diesen Staat Verantwortung trägt, an welcher Stelle auch immer, kann und darf sich mit solchen Dingen nie gemein machen.“