Ungeachtet israelischer Kritik hat Papst Franziskus das militärische Vorgehen im Gazastreifen erneut als „Grausamkeit“ bezeichnet. Nach dem sonntäglichen Angelus-Gebet sagte das Oberhaupt der Katholiken im Vatikan: „Mit Schmerz denke ich an den Gazastreifen, an so viel Grausamkeit, an die Kinder, die mit Maschinengewehren beschossen werden, an die Bombenangriffe auf Schulen und Krankenhäuser. Welche Grausamkeit!“
Franziskus leitete das Angelusgebet nicht wie üblich vom Fenster des Apostolischen Palasts am Petersplatz, sondern per Online-Übertragung. Der Vatikan begründete dies mit Erkältungssymptomen.
Bereits am Samstag hatte Franziskus bei einer Audienz mit Blick auf einen Luftangriff im Norden des Gazastreifens gesagt: „Gestern wurden Kinder bombardiert. Das ist Grausamkeit, keine Kriegshandlung.“ Der Papst bezog sich damit auf einen israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens, bei dem nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes am Freitag zehn Mitglieder einer Familie getötet worden waren, darunter sieben Kinder. Israels Armee wies die Angaben zurück und erklärte, sie habe bei dem Angriff „mehrere Terroristen getroffen“.
Das israelische Außenministerium kritisierte Franziskus am Samstag für dessen Äußerungen. Diese seien „besonders enttäuschend“ und der Pontifex solle damit aufhören, „mit zweierlei Maß zu messen und den jüdischen Staat und sein Volk allein verantwortlich zu machen“.
Der Papst hatte sich in den vergangenen Wochen zunehmend kritisch gegenüber Israel geäußert. Ende September sprach er von „unmoralischer“ Gewalt im Libanon und in Gazastreifen. In Mitte November vorab veröffentlichten Auszügen seines jüngsten Buchs forderte Franziskus, es sollte „sorgfältig untersucht werden“, ob die Lage im Gazastreifen der „technischen Definition“ eines „Völkermords“ entspreche. Ende November sprach er in einer Rede von der „Arroganz des Invasoren“ und bezog sich neben der Ukraine auch auf „Palästina“.
Der Vatikan hat im Jahr 2013 einen palästinensischen Staat anerkannt und tritt international für eine Zweistaatenlösung ein - also für eine friedliche Koexistenz Israels mit einem Palästinenserstaat.
Israelischer Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem Vergeltungsschlag der Widerstandsorganisation Hamas am 7. Oktober 2023 einen Vernichtungskrieg in Gaza gestartet. Erklärtes Ziel ist die Zerschlagung der Hamas, doch es wurden bisher Zehntausende Zivilisten getötet.
Israel stoppte die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom und startete zugleich massive Luftangriffe. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein.
Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel behindert. Mehr als eine Million Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten. UN-Organisationen bezeichnen die humanitäre Lage vor Ort als katastrophal.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 45.300 Menschen getötet und mehr als 107.600 verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können. Beim Großteil der Todesopfer handelt es sich laut örtlichen Berichten um Frauen und Kinder. Zudem sollen rund 10.000 Palästinenser von israelischen Soldaten verschleppt worden sein.