23.06.2020, Berlin: ARCHIV - Polizisten gehen in Tempelhof vor einem Gebäude über die Straße. (dpa)
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Ein mutmaßlicher Verfasser von rechtsextremen Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ ist am Montag im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung in Berlin festgenommen worden. Das teilten die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Hessische Landeskriminalamt in der Nacht zu Dienstag mit. Der 53-jährige erwerbslose Mann deutscher Staatsangehörigkeit stehe im dringenden Verdacht, „seit August 2018 unter dem Synonym ‚NSU 2.0‘ bundesweit eine Serie von Drohschreiben mit volksverhetzenden, beleidigenden und drohenden Inhalten“ verschickt zu haben. Empfänger waren überwiegend Personen des öffentlichen Lebens, vor allem aus der Medienwelt und der Politik, darunter auch Abgeordnete des Hessischen Landtags und des Bundestags. Heikel war der Fall vor allem auch deswegen, weil sich der oder die Täter offenbar auch Insiderwissen der Polizei zunutze machen konnten.
Der Verdächtige sei bereits in der Vergangenheit wegen zahlreicher - unter anderem auch rechtsextremistisch motivierter - Straftaten rechtskräftig verurteilt worden, hieß es in der Mitteilung weiter. Die bei der Durchsuchung am Montag sichergestellten Datenträger würden nun ausgewertet, zudem werde unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung ermittelt. Allerdings sei der Tatverdächtige zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer Polizeibehörde gewesen. Sehr aufwendige und zeitintensive gemeinsame Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft und des Hessischen Landeskriminalamtes hätten letztlich zur Identifizierung des Beschuldigten geführt.

Mitte März hatte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) von insgesamt 133 verschickten Drohschreiben rechtsextremistischen Inhalts berichtet, die in seinem Zuständigkeitsbereich bekannt worden wären. Davon würden die Ermittler 115 dieser Schreiben dem Tatkomplex „NSU 2.0“ zurechnen. Die übrigen 18 Schreiben seien mutmaßlich von Trittbrettfahrern verfasst und versendet worden. Empfänger seien überwiegend Personen des öffentlichen Lebens gewesen, vor allem aus der Politik und der Medienwelt. Die 115 Schreiben hätten sich an 32 Personen und 60 Institutionen in insgesamt neun Bundesländern und in Österreich gerichtet. Überwiegend geschah der Versand per E-Mail, aber auch per Fax, per SMS sowie über Internetkontaktformulare. Im Juli 2020 war der hessische Landespolizeipräsident Udo Münch wegen der Affäre um die Drohmails zurückgetreten. Immerhin stammten die Adressen der Opfer aus Polizeicomputern. Zu ihnen zählte auch die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz. Anfang März hatte sie gesagt, sie habe mehr als ein Dutzend „NSU-2.0“-Drohschreiben erhalten. Auch in ihrem Fall waren ihre persönlichen Daten von einem Computer im 1. Polizeirevier in Frankfurt abgerufen worden. Opfer waren auch die Kabarettistin Idil Baydar und die heutige Linkspartei-Chefin Janine Wissler. Als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hatten sich die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordeten. Es handelte sich bei den Opfern um acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Böhnhardt und Mundlos starben 2011 in einem brennenden Wohnwagen in Thüringen an den Folgen mutmaßlich selbst beigebrachter Schussverletzungen. Ihre Mittäterin Beate Zschäpe wurde 2018 verurteilt.

dpa