Der rassistische Terrorist von Hanau war laut Konfliktforscher Andreas Zick kein Einzeltäter und im rechtsextremistischen Milieu bestens vernetzt. Tobias R. habe sich in der rechten Szene ausgetauscht und radikalisiert, sagte Zick dem „Evangelischen Pressedienst“ am Freitag.
Die These vom Einzeltäter oder „einsamen Wolf“ habe die Terrorismusforschung längst hinter sich gelassen. „Er war in der Kassler-Neonaziszene, bei AfD-Stammtischen, auf Demonstrationen, in der NPD, es wurden mehrere Waffen bei ihm gefunden“, so der Leiter des Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.
Der Rechtsterrorist Tobias R. hatte am 19. Februar zwei Shisha-Cafés und einen Kiosk in Hanau angegriffen. Neun Menschen mit ausländischen Wurzeln wurden dabei vom Hanauer Terroristen ermordet. Der rechtsextreme Attentäter kehrte nach dem Angriff nach Hause zurück und beging Selbstmord, nachdem er auch seine Mutter getötet hatte. Direkt nach dem Hanau-Anschlag sprachen Medien und Politiker von einen Einzeltäter. Hinterbliebene und Angehörige der Opfer sowie Aktivisten protestierten wiederholt gegen dieses Narrativ.
Auch der Vater des Rechtsextremisten ist polizeilich bekannt. Laut Medienberichten teilt er die rassistische Gesinnung seines Sohnes. Der 73-Jährige soll die Tatwaffen von Tobias R. inklusive Munition und die Freischaltung seiner Internetseite gefordert haben. Zum angeblichen Schutz vor Ausländern habe er außerdem einen Schutzhund beantragt.
Hundertprozentiger Schutz vor Terrorismus unmöglich
Trotz umfangreicher Maßnahmen könnten solche „dramatischen und verheerenden Attentate wie in Hanau“ nicht hundertprozentig verhindert werden, sagte Zick weiter. Denn es gebe in Deutschland mehr als 30.000 Rechtsextremisten, von denen jeder zweite gewaltbereit sei. Hinzu kämen zigtausende radikalisierte Personen in Verschwörungsgruppen, die „gewaltorientiert denken, fühlen und bisweilen handeln“, sowie viele Menschen, die im Internet auf geschlossenen und kaum zugänglichen Foren gemeinsam Gewaltfantasien entwickelten.
Laut dem Konfliktforscher hat der Rechtsextremismus „Nischen in unserer Gesellschaft gebildet und die Gefahr bleibt, dass sich die Nischen weiter professionell entwickeln wie auch Menschen aus der Mitte dort hineingezogen werden“.
Gleichwohl könnten Sicherheitsbehörden und Kommunen auch etwas dagegen tun, betonte Zick: Etwa die Prävention und Intervention stärken, „funktionierende Konzepte besser austauschen, Fälle genau analysieren, um Früherkennungen zu ermöglichen“.