Merkel gibt eine Rede nach den Morden im hessischen Hanau.  (AA)
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In der hessischen Stadt Hanau sind am Mittwochabend neun Menschen an zwei verschiedenen Orten erschossen worden - davon mindestens fünf türkischer und kurdischer Abstammung. Betroffen waren eine Shisha-Bar und ein Kiosk. Die Hinweise deuten auf ein rechtsextremistisches Tatmotiv.

Die ersten Schüsse fielen den Ermittlern zufolge gegen 22.00 Uhr. Stunden nach dem Verbrechen entdeckte die Polizei die Leiche des mutmaßlichen rechtsextremen Todesschützen Tobias R. in seiner Wohnung. Dort fanden Spezialkräfte auch noch eine weitere tote Person. Dabei handelt es sich Berichten zufolge um die Mutter des Verdächtigen. Der Täter habe später vermutlich sich und seine Mutter erschossen, sagte Hessens Innenminister Beuth.

Er stuft das Verbrechen als „Verdacht einer terroristischen Gewalttat ein“. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen inzwischen auch bestätigen kann, sind unter den Todesopfern viele Menschen mit Migrationshintergrund. Der türkische Botschafter zu Berlin, Ali Kemal Aydin, bestätigte, dass fünf türkische Staatsbürger bei dem rechtsterroristischen Angriff ums Leben kamen.

Unter den den Opfern befinden sich mehrere Mitglieder türkischer Religionsgemeinden. Darunter drei Gemeindemitglieder der DITIB und zwei von Milli Görüş, wie ein DITIB-Vertreter auf Twitter bekanntgab.

Tatwaffe im Online-Shop gekauft

Der mutmaßliche Täter - nach ersten Erkenntnissen ein Sportschütze, der die Waffen legal im Besitz hatte - sei zuvor nicht im Visier der Ermittler gewesen. Er sei weder als „fremdenfeindlich“ bekannt gewesen noch polizeilich in Erscheinung getreten. Seine Tatwaffe habe er Medienberichten entsprechend im Online-Shop erworben.

„Aktuell gibt es keine Hinweise auf weitere Täter“, berichtete die Polizei am frühen Donnerstagmorgen auf Twitter. Die Bundesanwaltschaft prüft, ob es außer dem mutmaßliche Täter noch Mitwisser oder Unterstützer gibt. Dazu würden das Umfeld und die Kontakte des Mannes im In- und Ausland abgeklärt, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Donnerstag in Karlsruhe.

„Bestimmte Völker“ müssen vernichtet werden

Laut der „Süddeutschen Zeitung“ hat die Generalbundesanwaltschaft wegen der rassistischen Motive im Bekennerschreiben die Ermittlungen gegen den Angreifer von Hanau in der Nacht bereits aufgenommen. In seinem Bekennerschreiben soll stehen, dass „bestimmte Völker vernichtet werden müssten, deren Ausweisung aus Deutschland nicht mehr zu schaffen“ sei, zitiert die „Bild“-Zeitung.

In einem YouTube-Video sagt der mutmaßliche Angreifer, in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden. Dort werde auch dem Teufel gehuldigt. Amerikanische Staatsbürger sollten aufwachen und gegen diese Zustände „jetzt kämpfen“. Er behauptet auch, Deutschland werde von einem Geheimdienst gesteuert. Außerdem äußert er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.

„Rechter Terror in Deutschland“

„Die Gedanken sind heute Morgen bei den Menschen in Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde“, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagmorgen auf Twitter. „Tiefe Anteilnahme gilt den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern“, fügte er hinzu.

Auch der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zeigt sich in einer Sondersendung erschüttert über die Gewalttaten. „Das war ein furchtbarer Abend, der wird uns sicherlich noch lange, lange beschäftigen und in trauriger Erinnerung bleiben.“

Die Parteichefin der SPD, Saskia Esken, verurteilte den Angriff scharf. Auf Twitter bezeichnete sie den Angriff in Hanau als „rechten Terror in Deutschland“. „Viel zu lange haben wir uns davor gescheut, es mit klaren Worten zu benennen: Rechter Terror in Deutschland.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, die Tat schockiere, mache sprachlos und „unendlich traurig“. Er fügte hinzu: „Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir Einiges wissen, vieles noch nicht.“

Er habe am Morgen bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert, um sie über die vorliegenden Erkenntnisse zu informieren, sagte Bouffier. Bundesinnenminister Horst Seehofer, Hessens Innenminister Peter Beuth und er selbst werden im Laufe des Tages nach Hanau fahren.

Merkel vergleicht Hanau-Morde mit NSU-Terror

Bei einer Pressekonferenz über den Angriff in Hanau kommentierte Bundeskanzlerin Merkel: „Heute ist ein überaus trauriger Tag für unser Land. Rassismus ist ein Gift. Hass ist ein Gift.“

Sie stellte die Tat in eine Reihe mit dem NSU-Terror, dem Mord an Walter Lübcke und dem Anschlag von Halle.

Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Paul Ziemiak und Markus Blume, zeigten sich auf Twitter „fassungslos“.

Linke-Parteichefin Katja Kipping sagte mit Verweis auf die AfD: „Der rassistische Anschlag von Hanau ist kein Unfall. Solche Taten werden angefeuert von rechter Hetze, die von ,wohltemperierter Grausamkeit´ (Höcke) und ,Remigration´ redet und Menschen ihre Würde abspricht.“

Deutscher Botschafter solidarisiert sich

„Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Ankara, und ich persönlich sind tief erschüttert angesichts der entsetzlichen Gewalttat, die sich in der vergangenen Nacht in Hanau ereignet hat“, erklärte der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, und fügte hinzu:

„Wir gedenken der Opfer und trauern mit ihren Angehörigen. Wir stehen an der Seite aller Menschen, die durch rassistische Motive, getrieben von Hass und Gewalt, bedroht werden.“

Türkei fordert schnelle Aufklärung

Auch die türkische Regierung verurteilte die Gewalttaten in Hanau, bei der fünf türkische Staatsbürger ums Leben kamen, als „rassistischen Angriff“. Sie fordert eine schnelle Aufklärung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat am Donnerstagmittag erklärt: „Ich bin sicher, dass sich die deutschen Behörden darum bemühen werden, den Fall mit all seinen Hintergründen zu beleuchten.“

Zuvor sagte der Kommunikationschef des türkischen Präsidialamts, Fahrettin Altun, dass der Angriff verdeutliche, welche „Dimensionen der steigende Rassismus, die Islamfeindlichkeit und rechtsextremen Tendenzen in Europa erreicht haben“. Der Sprecher des türkischen Präsidenten, Ibrahim Kalın, mahnte in einer eigenen Erklärung: „Rassismus ist ein kollektiver Krebs.“

„Schwarzer Tag für Deutschland“

Der türkische Botschafter in Berlin, Ali Kemal Aydın, sprach gegenüber dem Sender CNN Türk von einem „schwarzen Tag für Deutschland“.

Der diplomatische Gesandte warnte, man könne die Tat nicht auf eine Person reduzieren, es müsse nach Verbindungen zu Hintermännern gesucht werden. Dabei erinnerte er an die Morde der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Die deutschen Behörden müssten die Tat restlos aufklären.

TRT Deutsch und Agenturen