Ein weiterer Rückschlag für die Aufklärung der NSU-Verbrechen: Weil Grüne und CDU dagegen stimmten, wurde die mittels einer Petition vorgebrachte Forderung nach einer sofortigen Veröffentlichung der NSU-Akten abgelehnt. Wie die „taz“ am Mittwoch berichtete, sprach sich die schwarz-grüne Regierungsmehrheit im Petitionsausschuss gegen eine Offenlegung der Akten zu den Verbrechen der Terrororganisation aus, während AfD, Linke und SPD einer solchen zustimmten.
Mehr als 125.000 Menschen hatten zuvor im Wege einer Petition auf der Plattform change.org das Bundesland Hessen zur Veröffentlichung des Dossiers zu den Terrorakten des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) aufgefordert. Bereits im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass die schwarz-grüne Landesregierung einem entsprechenden Vorhaben nicht zustimmen wolle.
Dies rief Kritik aus unterschiedlichen Richtungen hervor. Die Kasseler Initiatoren der Petition befürchteten bereits, dass diese im Petitionsausschuss abgelehnt würde. Deshalb verfassten sie vergangene Woche einen Brief an die Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die Parteichefs antworteten, sie würden die Petition mit „großem Interesse“ verfolgen, ließen aber die Frage nach der Entscheidung der Landes-Grünen bezüglich einer Freigabe der Akten unbeantwortet.
Auch Künstler kritisierten die Position der hessischen Grünen: Kassels Staatstheater-Chef Thomas Bockelmann, der den Fall der neonationalsozialistischen Terrorzelle unter dem Titel „Der NSU-Prozess – Die Protokolle“ auf die Bühne brachte, bezeichnete das Verhalten der Partei als „beschämend“. „Was wäre, wenn die hessischen Grünen in der Opposition wären?“, fragte er in einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeine“. Sie würden „keine Sekunde zögern, für die Öffnung zu stimmen“.
Die grüne Fraktion in Hessen nahm am Donnerstag Stellung zu ihrer Entscheidung im Petitionsausschuss. „Die Akten, um die es in der Petition geht, lagen allen Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses aus der vergangenen Legislaturperiode vor“, heißt es in einer Mitteilung auf der Internetseite der Fraktion. „Der Wunsch nach Veröffentlichung von als geheim eingestuften Unterlagen wirft jedoch grundsätzliche Fragen auf“, wird zudem festgehalten. Unter anderem sollen Informanten über die rechte Szene geschützt werden, heißt es weiter. „Vor diesem Hintergrund kann der Ausschuss nicht einfach die Berücksichtigung der Petition beschließen.“
Die NSU-Akten, um die es geht, sind in Form eines 300 Seiten umfassenden Dossiers zusammengefasst, das 2012 in Auftrag gegeben worden war. Der Bericht dokumentiert nach vorliegenden Informationen unter anderem einen fahrlässigen Umgang der Behörden in der Causa der NSU-Morde. Der Kern der Terrorzelle, die zwischen 2000 und 2007 neun Einwanderer und eine Polizeibeamtin getötet hatte, bestand aus drei Neonazis, die bereits im Jahr 1998 abgetaucht waren. Erst 2011 flog die Terrorgruppe auf. Kurz danach vernichteten mehrere Verfassungsschutzämter Akten, die einen mutmaßlichen Bezug zu dem Terrortrio und deren Umfeld aufwiesen. Andere wurden der Geheimhaltung unterworfen.
Für die Akten, um die es in Hessen ging, war zunächst eine Verschlussfrist bis 2134 vereinbart worden. Die Geheimhaltungsfrist wurde später auf 30 Jahre herabgesetzt.