Rügen statt Rom? Wer ob geschlossener europäischer Grenzen hoffte, nun auf einer Insel in Deutschland Urlaub genießen zu können, wird erneut enttäuscht: Alle norddeutschen Küstenländer sperren wegen der Ausbreitung des Coronavirus ab Montag ihre Inseln in der Nord- und Ostsee für Touristen.
Darauf haben sich die Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen am Sonntag verständigt, wie die Staatskanzlei in Schwerin am Sonntagabend mitteilte. Für den Tourismus auf dem Festland kündigten die Landesregierungen auch Regelungen an. „Morgen werden wir uns darüber unterhalten, wie wir mit dem Festland umgehen“, sagte der Regierungssprecher von Mecklenburg-Vorpommern der dpa.
Schleswig-Holstein hatte bereits am Sonntagnachmittag mitgeteilt, seine Inseln in Nord- und Ostsee ab Montagfrüh 06.00 Uhr für Touristen abzuriegeln. Das habe die Landesregierung in Kiel beschlossen, teilte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) nach einer Telefonkonferenz des Kabinetts mit. Zu den betroffenen Inseln gehören Sylt, Amrum, Föhr, Fehmarn und Nordstrand.
In Mecklenburg-Vorpommern würden die Maßnahmen auf den Inseln Rügen, Usedom, Hiddensee und Poel schrittweise eingeführt, hieß es am Abend; wegen der Größe der Inseln und der zahlreichen direkten Verbindungen aufs Festland.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) twitterte am Sonntag:
Von den Zugangsbeschränkungen ausgenommen seien lediglich Personen, die ihren ersten Wohnsitz auf einer der norddeutschen Inseln haben oder zur Arbeit auf die Inseln müssen - oder von der Arbeit auf dem Festland zurückkehren. Die Versorgung der Inseln mit Gütern des täglichen Bedarfs wird weiterhin sichergestellt.
Grund für die Abriegelung ist, dass die Gesundheitssysteme der Inseln nicht auf eine größere Zahl von mit dem Coronavirus infizierten Menschen vorbereitet sind. Die Maßnahme dient damit sowohl dem Schutz der Inselbevölkerung als auch dem Schutz der Gäste.
Urlauber, die bereits auf einer der Inseln Quartier bezogen haben, werden gebeten, den Heimweg anzutreten.
Deutschland schließt Außengrenzen zu fünf Nachbarländern
Aus Sorge vor Ausbreitung des Coronavirus wird es an den deutschen Außengrenzen zu fünf Nachbarländern künftig umfassende Kontrollen und Einreiseverbote geben. Betroffen sind die Übergänge zur Schweiz, zu Frankreich, Österreich, Dänemark und auch Luxemburg, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Sonntag angekündigte. „Für Reisende ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr einreisen können“, sagte er. Die Entscheidung soll an diesem Montagmorgen ab 08.00 Uhr greifen. Ausnahmen gibt es etwa für den Warenverkehr und für Pendler. Außerdem: „Deutsche Staatsangehörige haben selbstverständlich das Recht, wieder in ihr Heimatland einzureisen“, erklärte Seehofer. Das Gleiche gelte auch für Ausländer mit Aufenthaltsberechtigung und Wohnsitz in Deutschland, erklärte Staatssekretär Hans-Georg Engelke. „Wichtig ist, dass Pendler weiter zur Arbeit kommen, so sie nicht zu Haus arbeiten können. Und dass der notwendige Warenverkehr läuft“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Allerdings kritisierte er, dass es keine Einigkeit in der EU bei diesen Maßnahmen gebe. Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock sagte dem „Spiegel“: “Auch in der akuten Situation dürfen wir nicht vergessen, dass wir die Krise nur europäisch bekämpfen können.“ Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versicherte noch am Sonntagabend in der ARD: „Es geht nicht um Grenzschließungen als generelles Mittel.“ Der freie Warenverkehr und wirtschaftliche Aktivitäten sollten nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. „Wir versuchen, die Einschränkungen so gering wie möglich zu halten.“
Kontrollen an den Grenzen Bereits am Sonntagabend seien Polizeikräfte unterwegs zu den Grenzabschnitten gewesen, sagte Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei. Er betonte: „Wir schließen keine Grenzen. Nordkorea tut das. Wir kontrollieren an den Grenzen, das ist etwas ganz anderes.“ Die Grenzkontrollen seien „eine Sache, für die ich seit Freitag in der Tat, ziemlich gekämpft habe“, sagte Seehofer.
Zuvor hatten schon andere EU-Staaten ihre Grenzen weitgehend dicht gemacht, darunter Dänemark, Polen, die Slowakei, Tschechien und Österreich. Frankreich kündigte als Reaktion auf die deutschen Maßnahmen ebenfalls verschärfte Kontrollen an. DAX fällt unter die Marke von 9000 Punkten
Als Folge der sich zuspitzenden Coronavirus-Krise ist der deutsche Aktienindex Dax am Montag unter die Marke von 9000 Punkten gefallen. Kurz nach Handelsbeginn fiel das Börsenbarometer auf 8715 Punkte. Das war ein Minus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Schlussstand vom Freitag und zugleich der tiefste Stand seit Februar 2016.
Erst am Donnerstag hatte der Dax mit dem zweitgrößten prozentualen Tagesverlust in seiner gut dreißigjährigen Geschichte unter der Marke von 10.000 Zählern geschlossen. Auf Wochensicht ergab sich ein Minus von rund 20 Prozent.
International Kurseinbrüche
Am Montagmorgen waren bereits die Kurse in Asien weiter abgerutscht. Der japanische Leitindex Nikkei-225 verlor gut 2,5 Prozent auf 17.002 Punkte. In China ging es für den CSI mit den 300 wichtigsten Aktien der chinesischen Festlandbörsen um 4,3 Prozent auf 3727,84 Zähler nach unten.
Am Sonntag hatte die US-Notenbank angesichts der Rezessionsängste wegen der Virus-Krise zu drastischen Mitteln gegriffen. In einer Notfallaktion senkte sie den Leitzins überraschend um einen ganzen Prozentpunkt auf fast null Prozent und kündigte ein Maßnahmenpaket in Koordination mit anderen Notenbanken an. Doch auch dies beruhigte die Marktteilenhmer am Montag nicht.
Eurogruppe plant ein umfassendes Krisenpaket
Am Montagnachmittag wollten die Finanzminister der Eurogruppe in einer Videokonferenz über ein umfassendes Krisenpaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie beraten. Dies hatte Eurogruppenchef Mario Centeno am Wochenende angekündigt.
Die EU-Kommission hatte am Freitag ein milliardenschweres Notprogramm vorgeschlagen, um Unternehmen und Bürgern in der Coronavirus-Krise zu helfen. So sollen europäische Schulden-, Defizit- und Beihilferegeln so großzügig wie möglich ausgelegt werden, damit die EU-Staaten eigene Nothilfen auflegen können. Darüber hinaus sollen Milliarden aus dem EU-Haushalt umgewidmet werden, um Unternehmen zahlungsfähig zu halten und Investitionen zu ermöglichen.
Infizierte und Todesfälle
Laut Medienberichten gibt es im Leipziger BMW Werk den ersten bestätigten Corona-Fall. In dem Werk mit rund 5400 Beschäftigten wurde ein Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet.
In Deutschland ist die Zahl der Corona-Fälle auf 5813 gestiegen. Gemeldet wurden 13 Todesfälle.
In Bayern ist ein weiterer Mensch nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gestorben. Es handele sich um einen über 80-jährigen Patienten mit Vorerkrankungen aus Würzburg, teilte das Gesundheitsministerium des Landes in München unter Berufung auf das Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mit. Der Gestorbene sei Bewohner des gleichen Pflegeheims gewesen, aus dem auch der erste Coronavirus-Todesfall in Bayern stammte.
Damit sind vier Menschen in Bayern nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gestorben. Mindestens 886 Menschen wurden bislang positiv auf Sars-CoV-2 getestet. Darin eingerechnet sind die ersten 14 Infizierten, die allesamt mit dem Autozulieferer Webasto aus Gauting-Stockdorf in der Nähe Münchens in Zusammenhang standen. Mit eingerechnet sind zudem drei Bayern, die außerhalb des Freistaats positiv getestet wurden.