Der Kommandeur des Bundeswehr-Evakuierungseinsatzes in Afghanistan, Jens Arlt, ist am Freitag mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Arlt habe „die militärische Evakuierung unter außergewöhnlicher Gefahr auf vorbildliche Weise geführt“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er mahnte zugleich, alle „schmerzhaften Fragen“ im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz müssten „ehrlich und gründlich“ beantwortet werden. Dies sei auch eine Aufgabe für die neue Bundesregierung und den neuen Bundestag. Arlt habe die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im August „durch zwei extrem harte Wochen geführt“ und alle unversehrt wieder nach Hause gebracht. Er stehe „stellvertretend und zugleich wie kein anderer für diesen gelungenen Einsatz und für die fast 500 Soldatinnen und Soldaten des Evakuierungsverbands“, sagte Steinmeier, der Arlt mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland auszeichnete. Der 52-jährige Arlt war zuvor unter anderem in verschiedenen Funktionen im Verteidigungsministerium tätig sowie beim Kommando Spezialkräfte (KSK). Er absolvierte mehrere Auslandseinsätze für die Bundeswehr, darunter in Afghanistan und im Kosovo.
„5300 Menschen aus 45 Ländern in Sicherheit gebracht“
Vor der Ordensverleihung sprach Steinmeier mit Soldatinnen und Soldaten, die an der Evakuierungsmission beteiligt waren. In einer dramatischen internationalen Operation waren nach der Machtübernahme der Taliban tausende Ausländer und gefährdete Afghanen vom Kabuler Flughafen ausgeflogen worden. „Gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern, zuvorderst den USA, konnten mehr als 120.000 schutzbedürftige Menschen ausgeflogen werden“, sagte Steinmeier. Die deutsche Evakuierungsoperation in Kabul und der usbekischen Hauptstadt Taschkent habe „unter schwierigsten Bedingungen mehr als 5300 Menschen aus 45 Ländern in Sicherheit gebracht“. Afghanen, Deutsche und Verbündete seien gerettet worden. „Menschen, deren Leben unter der Herrschaft der Taliban akut bedroht war, weil sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten für deutsche Stellen gearbeitet haben – oder weil sie die demokratischen Freiheitsrechte der afghanischen Verfassung für sich in Anspruch genommen haben und deshalb auf Todeslisten standen.“
„Schwierige und bittere Fragen“
Es sei bekannt, „dass bei weitem nicht alle Menschen, die auf unseren Listen standen, die rettenden Flüge erreicht haben“, sagte Steinmeier. „Viele Deutsche sorgen sich um diese Menschen – und sie erwarten zu Recht, dass unser Land weiter nach Wegen und Möglichkeiten sucht, um seiner Schutzverpflichtung auch diesen Menschen gegenüber gerecht zu werden.“ Mehr als 150.000 Angehörige der Bundeswehr hätten in Afghanistan gedient. Viele stellten „schwierige und bittere Fragen“, etwa, warum es nicht gelungen sei, in Afghanistan eine stabile politische und gesellschaftliche Ordnung aufzubauen. Oder danach, ob das Leid und die Mühen umsonst gewesen und der Abzug der internationalen Truppen, so wie er stattfand, richtig gewesen sei.
Schmerzhafte Fragen „ehrlich und gründlich beantworten“
„Ich habe keine einfachen, schnellen Antworten“, sagte Steinmeier. „Eines ist klar: Wir haben mit dem Fall von Kabul eine menschliche Tragödie erlebt, für die wir Mitverantwortung tragen.“ Diese Wochen markierten „eine politische Zäsur, die uns dazu zwingt, über unsere eigene Rolle, unsere Möglichkeiten, ihre Grenzen, aber auch unsere Verantwortung in der Welt neu und auch selbstkritisch nachzudenken“.
„Wir sollten all die schmerzhaften Fragen nicht in erster Linie schnell, sondern ehrlich und gründlich beantworten“, sagte der Bundespräsident. „Nur verdrängen dürfen wir sie nicht.“ Deutschland verdiene „eine Sicherheitspolitik, die Lehren aus zwanzig Jahren Afghanistan zieht“.