Bundesbank-Präsident Jens Weidmann legt überraschend sein Amt aus zum Jahresende nieder - „aus persönlichen Gründen“, wie er angibt. Er habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um seine Entlassung aus dem Amt zum 31. Dezember 2021 gebeten, teilte die Bundesbank am Mittwoch in Frankfurt mit. „Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als zehn Jahre ein gutes Zeitmaß sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich“, schreibt Weidmann in einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank.
Langjähriger Kritiker lockerer EZB-Geldpolitik In seinen Dankesworten an die Belegschaft verweist Weidmann auf das gemeinsam Erreichte: „Das Umfeld, in dem wir operieren, hat sich massiv verändert und die Aufgaben der Bundesbank sind gewachsen. Die Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise und zuletzt die Pandemie haben in Politik und Geldpolitik zu Entscheidungen geführt, die lange nachwirken werden. Mir war es dabei immer wichtig, dass die klare, stabilitätsorientierte Stimme der Bundesbank deutlich hörbar bleibt.“ Der promovierte Volkswirt hatte sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch zu der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geäußert. Seinen Kolleginnen und Kollegen im EZB-Rat dankte Weidmann für die offene und konstruktive Atmosphäre in den zuweilen schwierigen Diskussionen der vergangenen Jahre. Er unterstrich die „bedeutende, stabilisierende Rolle der Geldpolitik während der Pandemie sowie den erfolgreichen Abschluss der Strategiediskussion als wichtigen Meilenstein der europäischen Geldpolitik“.
Kanzlerin Angela Merkel hat die Entscheidung zum Rückzug bedauert. Sie habe zugleich großen Respekt für seinen Beschluss, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Weidmann habe die Bundesbank „national wie international herausragend vertreten“.
Merkel danke ihm für seine Arbeit „in diesen währungspolitisch und finanzpolitisch sehr herausfordernden Jahren seiner Amtszeit“, sagte Seibert. „Es wird nun die Aufgabe einer neuen, einer kommenden Bundesregierung sein, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu finden.“
Lagarde bedauert Rücktritt
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Entscheidung von Bundesbank-Chef Jens Weidmann bedauert, zum Jahresende zurückzutreten. Sie respektiere seinen Entscheidung, „aber ich bedauere sie zutiefst“, erklärte Lagarde am Mittwoch. Weidmann hatte überraschend angekündigt, aus persönlichen Gründen sein Amt niederzulegen. „Jens ist ein guter persönlicher Freund, auf dessen Loyalität ich immer zählen konnte“, erklärte die EZB-Präsidentin.
Als dienstältestes Mitglied des obersten Entscheidungsgremiums der Europäischen Zentralbank - dem EZB-Rat - habe er über eine beispiellose Erfahrung verfügt, die er jederzeit geteilt habe. Weidmann habe klare Vorstellungen über Geldpolitik gehabt. „Ich war aber immer beeindruckt über seine Suche nach Gemeinsamkeiten im EZB-Rat ... und seiner Bereitschaft, einen Kompromiss zu finden“, erklärte Lagarde. „Ich werde Jens und seine immer konstruktive und gut gelaunte Herangehensweise in allen unseren Diskussionen vermissen.“ Weidmann hatte sich in der Vergangenheit immer wieder kritisch über die ultralockere Geldpolitik der Notenbank geäußert.
Scholz dankt Weidmann für „außerordentliches Engagement“
Finanzminister Olaf Scholz hat Weidmann für ein außerordentliches Engagement in den vergangenen zehn Jahren gedankt. „Er hat nicht nur die Geldpolitik in Deutschland und Europa in dieser Zeit maßgeblich geprägt, sondern auch die Weiterentwicklung der internationalen Finanzmärkte vorangebracht“, erklärte der SPD-Kanzlerkandidat und Vizekanzler am Mittwoch. „Jens Weidmann hat sich um unser Land sehr verdient gemacht“, betonte er.
Lindner: Weidmann stand für stabilitätsorientierte Geldpolitik
FDP-Chef Christian Lindner hat den Rücktritt bedauert. „Er stand für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik, deren Bedeutung angesichts von Inflationsrisiken wächst“, schrieb Lindner am Mittwoch auf Twitter. „Mit ihm war die Deutsche Bundesbank eine wichtige Stimme in Europa. Die FDP empfiehlt Deutschland Kontinuität.“
Weidmann hatte als damals jüngster Bundesbank-Präsident im Alter von 43 Jahren im Mai 2011 den Posten in Frankfurt von Axel Weber übernommen, der im Streit über die Anti-Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank hingeworfen hatte.