Frankreich: Justizminister Dupond-Moretti steht unter anderem nach Vorwürfen des Machtmissbrauchs im Visier der Justiz (Archivbild) (AFP)
Folgen

Erstmals in Frankreich geht die Justiz gegen einen amtierenden Justizminister vor: Eric Dupond-Moretti ist am Freitag vor den Gerichtshof der Republik geladen, der dafür zuständig ist, über Verstöße von Ministern zu urteilen. Dem 60-Jährigen droht ein formelles Ermittlungsverfahren, weil er die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt haben soll. Unter Druck steht der frühere Staranwalt auch, weil er dem Fiskus offenbar Nebeneinkünfte verschwiegen hat. Anfang Juli durchsuchten die Ermittler 15 Stunden lang das Justizministerium, was einen beispiellosen Vorgang darstellte. Es geht unter anderem um die Frage: Hat Dupond-Moretti kurz nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr seine Macht ausgenutzt, um persönlich mit drei Richtern abzurechnen, die Unterlagen des früheren Strafverteidigers untersucht hatten? So lautet jedenfalls der Vorwurf der französischen Antikorruptions-Organisation Anticor und dreier Richtergewerkschaften.

Dupond-Moretti muss Abberufung fürchten

In der Substanz geht es um nichts Geringeres als einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Sollten die Richter Dupond-Moretti am Freitag offiziell zum Beschuldigten erklären, muss dieser seine Abberufung fürchten. Denn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verlangt von seinen Ministern vorbildliches Verhalten. Dies gelte „vor allem für einen Justizminister“, hieß es aus der Regierung. Wenig hilfreich war es, dass Dupond-Moretti nach Medienenthüllungen einräumen musste, Nebeneinkünfte von 300.000 Euro nicht versteuert zu haben. Als „Advokat Freispruch“ hat sich Dupond-Moretti in Frankreich einen Namen gemacht, ein „nicht schuldig“ will er nun auch in eigener Sache erwirken. Bewunderer wie Kritiker sagen ihm nach, mit donnernder Stimme Schwurgerichte zum Zittern gebracht und so die Rekordzahl von 140 Freisprüchen erwirkt zu haben. Unter seinen Mandanten waren Prominente wie Fußballstar Karim Benzema oder der Finanzjongleur und Milliardenzocker Jérôme Kerviel.

15 Gesetze in nur einem Jahr

Seine Berufung zum Justizminister durch Präsident Macron im Juli 2020 galt als Coup. Bei Dupond-Morettis erstem Auftritt in der Pariser Nationalversammlung kam es allerdings zu Tumulten, weil der parteilose Anwalt stets betont hatte, er werde „niemals“ ein Ministeramt annehmen. In nur einem Jahr brachte er dann 15 Gesetze mit auf den Weg, unter anderem einen verschärften Kampf gegen den Terrorismus nach der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty im Herbst. Dupond-Moretti wurde am 20. April 1961 im nordfranzösischen Maubeuge als Sohn eines Metallarbeiters und einer Hausfrau aus Italien geboren. Er entdeckte schon als Jugendlicher seine Leidenschaft für die Justiz, als er 1976 im Radio von der Guillotinierung eines verurteilten Kindermörders hörte - des drittletzten Menschen, gegen den Frankreich die Todesstrafe vollstreckte.

Le Pen als „unfähige Lügnerin“ tituliert Nach Dupond-Morettis Jurastudium und seiner Vereidigung durch die Anwaltskammer im nordfranzösischen Lille Ende 1984 folgte eine Karriere, die den streitlustigen Advokaten an Gerichte in ganz Frankreich führte. Durchs Land tourte der mit einer Sängerin liierte Vater zweier Söhne auch als Autor, zuletzt vor der Corona-Pandemie mit „A la Barre“ (Vor Gericht), einer Art autobiografischem Manifest. Sollte Präsident Macron seinen Minister in der Justizaffäre entlassen müssen, käme ihm ein wortgewaltiger Gegner der Rechtspopulistin Marine Le Pen abhanden, die Macron bei der Präsidentschaftswahl in neun Monaten erneut herausfordern will. Als „unfähige Lügnerin“ hatte Dupond-Moretti die 52-Jährige zuletzt tituliert. „Sie können ihr Urteil über mich fällen, wenn ich gehandelt habe“, rief der Justizminister seinen Kritikern nach dem Amtsantritt zu. Sollte die Justiz ihn zur Verantwortung ziehen, wird das Urteil nicht auf sich warten lassen.

AFP