Die EU droht den beiden Westbalkanländern Serbien und Kosovo wegen des jüngsten Gewaltausbruches mit Strafmaßnahmen. Sollte es nicht gelingen, die Spannungen zu deeskalieren, werde dies „negative Folgen“ haben, heißt es in einer am Samstag vom Außenbeauftragten Josep Borrell im Namen der EU veröffentlichten Erklärung. Die EU sei bereit, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen.
EU fordert Maßnahmen zur Deeskalation zu ergreifen
Wie diese genau aussehen könnten, wird in der Mitteilung nicht erläutert. Denkbar wäre zum Beispiel, die finanzielle Unterstützung zu reduzieren, die die beiden Länder als Anwärter auf einen EU-Beitritt bekommen. Zudem könnte auch die Zusammenarbeit eingeschränkt werden.
Mit Blick auf die jüngsten gewaltsamen Ausschreitungen im Nord-Kosovo heißt in der Erklärung: „Die Gewalt hätte vermieden werden können und muss künftig vermieden werden.“ Man fordere das Kosovo und Serbien nachdrücklich auf, unverzüglich und bedingungslos Maßnahmen zur Deeskalation zu ergreifen und auf spaltende Rhetorik und unkoordinierte Maßnahmen zu verzichten.
Die Behörden im Kosovo werden konkret dazu aufgerufen, Polizeieinsätze in der Nähe von Gemeindegebäuden im Norden auszusetzen und so schnell wie möglich in vier Kommunen Neuwahlen zu organisieren. Im Gegenzug werde erwartet, dass die in den Gemeinden lebenden Serben dann an diesen Neuwahlen teilnehmen.
Zudem fordert die EU, unverzüglich und ohne Vorbedingungen die Arbeiten zur Gründung eines Verbands der Kommunen mit serbischer Mehrheit voranzutreiben. Dass die bereits vor Jahren in Friedensgesprächen vereinbarte Gründung des Verbands bis heute nicht umgesetzt ist, gilt aus EU-Sicht als einer der Gründe für die aktuellen Spannungen. NATO schickt 700 Soldaten Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 2008 für unabhängig erklärt. Serbien erkennt diesen Schritt bis heute nicht an und verlangt die Rückgabe seiner ehemaligen Provinz. Die Proteste hatten sich nach der Wahl neuer Bürgermeister entzündet - albanischstämmige Politiker, die sich bei Nachwahlen durchsetzten, die die Serben auf Geheiß der Regierung in Belgrad boykottierten.
Nach den jüngsten Ausschreitungen im Kosovo verstärkt die Nato ihre dortige Truppenpräsenz. „Wir haben beschlossen, 700 weitere Soldaten aus der Einsatzreserve für den westlichen Balkan zu entsenden“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am vergangenen Dienstagabend bei einer Pressekonferenz in der norwegischen Hauptstadt Oslo. Zusätzlich werde noch ein weiteres Bataillon mit Reservekräften in höhere Einsatzbereitschaft versetzt, um es bei Bedarf ebenfalls schnell verlegen zu können. Zahlen dazu nannte Stoltenberg nicht. In der Regel besteht ein Bataillon aus etlichen Hundert Soldatinnen und Soldaten.
30 Soldaten und mehr als 50 Serben verletzt
Am vergangenen Montag war es im serbisch bevölkerten Norden des Kosovos zu schweren Ausschreitungen gekommen. Militante Serben griffen in der Ortschaft Zvecan KFOR-Truppen mit Brandsätzen und Steinen an. Diese setzten Tränengas und Blendgranaten ein. 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben erlitten Verletzungen. Die Serben im Nord-Kosovo protestieren seit Tagen gegen die Einsetzung neuer Bürgermeister in drei Gemeinden.
Ausschreitungen in Zvecan
Bereits am vergangenen Freitag war es in Zvecan zu Unruhen gekommen, als die kosovarische Polizei den neuen Bürgermeister ins Gemeindeamt eskortierte. Die KFOR-Truppen traten schließlich an die Stelle der Kosovo-Polizei, um die Amtsgebäude im Nord-Kosovo zu sichern. In Zvecan eskalierte die Situation am Montag, als die KFOR-Einheiten die gewalttätig gewordene Menge aufzulösen begannen.
EU-Vertreter und die Außenministerien von fünf westlichen Ländern, darunter Deutschland, hatten bereits den Einsatz der Kosovo-Polizei am Freitag in Zvecan verurteilt. Ihnen zufolge hat der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti damit die Lage unnötig angeheizt. Kurti machte wiederum das Nachbarland Serbien für die Unruhen verantwortlich. Bei den Demonstranten im Norden handle es sich zum Großteil um „einen Haufen Extremisten unter Anleitung des offiziellen Belgrads“, sagte er am späten Montagabend nach Angaben seines Amtes in einem Gespräch mit den Botschaftern der fünf westlichen Länder.
EU-Chefdiplomat Borrell forderte die kosovarischen Behörden am Dienstag auf, die Polizeieinsätze im Norden des Landes einzustellen. Von den militanten Serben verlangte er, sich zurückzuziehen. „Wir haben schon jetzt zu viel Gewalt in Europa. Wir können uns keinen weiteren Konflikt leisten“, sagte er. Borrell versucht derzeit, zwischen den Regierungen Serbiens und des Kosovos zu vermitteln.
Im Nord-Kosovo blieb es am Dienstag ruhig. Mehrere Tausend Serben demonstrierten in den Orten Zvecan, Leposavic und Zubin Potok gegen den Amtsantritt der neuen Bürgermeister, die aus der albanischen Volksgruppe kommen. Sie waren im Vormonat gewählt worden, wobei fast alle Serben die Gemeindewahlen boykottierten, weshalb die Wahlbeteiligung unter vier Prozent lag.
Die KFOR war 1999 nach einer Nato-Intervention gegen Serbien mit rund 50 000 Mann ins Kosovo eingerückt. Aufgrund eines Mandats des UN-Sicherheitsrats ist sie für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Heute gehören ihr noch etwa 3800 Soldaten an, die meisten von ihnen kommen aus Italien, den USA, Ungarn und der Türkei. Deutschland nimmt noch mit etwa 70 Soldaten am KFOR-Einsatz teil.