Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags sehen derzeit keine rechtlichen Anhaltspunkte dafür, dass Deutschland oder andere Nato-Staaten über ihre Waffenlieferungen am Ukraine-Krieg beteiligt sind - so wie Russland es ihnen vorwirft. „Noch finden sich in der Völkerrechtslehre keine expliziten Rechtsauffassungen, welche die Unterstützung der Nato-Staaten zugunsten der Ukraine pauschal als eine Form der Konfliktbeteiligung bewerten“, heißt es in einem aktuellen Gutachten, das von der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen in Auftrag gegeben wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Allerdings bemängeln die Wissenschaftler, dass die Kriterien für eine Konfliktbeteiligung im Völkerrecht nicht klar genug definiert sind. Dabei gehe es nicht nur um die Hardware“, also den Umfang und die Qualität der gelieferten Waffen. Auch die „Software“ müsse berücksichtigt werden, also inwieweit Staaten an der Koordinierung, Zielsetzung oder Steuerung von Kampfhandlungen etwa über Informationen ihrer Geheimdienste oder militärische Beratung und Ausbildung beteiligt sind. „Die Herausforderung für die Völkerrechtslehre besteht darin, die Kriterien der Konfliktteilnahme schärfer zu konturieren und an entsprechende Staatenpraxis zurückzukoppeln, um ihre Akzeptanz zu erhöhen.“
Für problematisch halten die Wissenschaftler die Rhetorik westlicher Staaten im Zusammenhang mit den Waffenlieferungen. Ein „gewisses „Unbehagen“ an der juristischen und rhetorischen „Orchestrierung“ der westlichen Unterstützung“ lasse sich kaum verhehlen, heißt es in dem 34-seitigen Gutachten. „Das politische Schlagwort von der „Kampfjetallianz“ geht jedenfalls schon rein semantisch über den logistischen Vorgang einer Lieferung von Flugzeugen hinaus.“
Scholz: „Deutschland trotz Waffenlieferungen nicht am Ukraine-Krieg beteiligt“
Russland wirft den Nato-Staaten vor, aufgrund von Waffenlieferungen am Ukraine-Krieg direkt beteiligt zu sein. Wie auch andere Vebündete hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dagegen immer wieder betont, dass Deutschland sich aus seiner Sicht trotz umfangreicher Waffenlieferungen nicht am Krieg beteiligt. Außenministerin Annalena Baerbock sorgte zwar im Januar mit dem Satz für Irritationen: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Die Grünen-Politikerin stellte aber sofort danach klar, dass sie damit keine Kriegsbeteiligung Deutschlands oder seiner Verbündeten gemeint habe.
Die Linken-Politikerin Dagdelen hält die Unterstützung der Nato-Staaten für die Ukraine dagegen weiterhin für eine Konfliktbeteiligung. „Nimmt man die Kriterien des Wissenschaftlichen Dienstes ernst, ist Deutschland mit den Nato-Verbündeten angesichts der massiven Waffenlieferungen an die Ukraine sowie den militärischen Ausbildungsprogrammen zur Verbesserung der Schlagkraft der ukrainischen Armee und kontinuierlichen nachrichtendienstlichen Informationen für die Kriegführung Kiews inzwischen Kriegspartei“, sagt sie.