Alija Izetbegović sagte einst: „Vergesst den Völkermord nie. Wenn er vergessen wird, wiederholt er sich.“
Am 23. Mai 2024 beschlossen die Vereinten Nationen, den 11. Juli zum Gedenktag des Srebrenica-Völkermords zu erklären. Die Welt hat das Massaker von Srebrenica nicht vergessen; im Gegenteil, es wurde sogar ein Gedenktag dafür festgelegt. Doch zur gleichen Zeit wurden in Gaza Tausende Menschen von Israel getötet. Während in Gaza 40.000 Menschen starben, legten die Vereinten Nationen den Gedenktag für das Massaker von Srebrenica fest.
Das Massaker von Srebrenica ging als Völkermord mitten in Europa in die Geschichte ein. So wie heute in Gaza schauten die großen europäischen Staaten damals zu, wie Tausende Bosniaken getötet wurden. Jetzt gedenken sie dieses Völkermords. Die Geschichte wiederholt sich.
Gaza und Srebrenica: die gleiche Tragödie
Die Welt wird Zeuge der Angriffe und Belagerung der Palästinenser in Gaza durch Israel. In Gaza kämpfen die Menschen einerseits ums Überleben in den Angriffen, andererseits gegen den Hunger. Die Ereignisse in Srebrenica und Gaza sind nahezu identisch. Palästinensische Frauen, Kinder und Alte erleiden das gleiche Schicksal wie die Bosniaken. Die Menschen haben keinen Zugang zu Nahrung und Wasser und kämpfen zwischen den Trümmern der durch Luftangriffe zerstörten Gebäude ums Überleben. Zwischen den Ereignissen in Bosnien und dem, was heute in Gaza passiert, gibt es auffällige Parallelen. Sowohl in Srebrenica als auch in Gaza wird Hunger als Kriegstaktik eingesetzt.
Neben der Zivilbevölkerung werden in Gaza, ebenso wie einst in Srebrenica, häufig Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen und Journalisten getötet. Seit dem 7. Oktober sind in Gaza über 200 Hilfsarbeiter ums Leben gekommen, darunter 180 UN-Mitarbeiter. Auch in Bosnien wurden Tausende von humanitären Helfern getötet. Diese Angriffe sind absichtlich und zielen darauf ab, NGOs und ihre Mitarbeiter aus Konfliktgebieten fernzuhalten, was die humanitäre Krise vor Ort weiter verschärft. Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ), das die Namen und Organisationen der Toten bestätigt hat, wurden seit dem 7. Oktober 103 palästinensische, zwei israelische und drei libanesische Journalisten getötet. Dies ist der tödlichste Zeitraum für Journalisten seit Beginn der Datenaufzeichnungen durch das CPJ im Jahr 1992. Das CPJ macht Israel für die Todesfälle von Journalisten verantwortlich und wirft dem Land Kriegsverbrechen vor.
Neue Tragödien für zukünftige Gedenktage
In Srebrenica werden noch immer Massengräber entdeckt. In Gaza wurden in den Krankenhäusern Al-Shifa und Nasser Hunderte Leichen geborgen. Die Menschen kämpfen ums Überleben; Medikamente, Krankenhäuser und psychologische Unterstützung für Bedürftige, Kinder und Frauen werden kaum erwähnt. Die internationale Gemeinschaft und die Staaten verhielten sich während des Völkermords in Srebrenica ähnlich schweigsam wie heute in Gaza. Erst Jahre nach dem Tod von Tausenden in Srebrenica erklärten die Staaten den Gedenktag für den Völkermord. Es ist wahrscheinlich, dass dieselben Staaten in Zukunft auch einen Gedenktag für die Palästinenser einführen werden.
Der Befehl von Verteidigungsminister Yoav Gallant zur „vollständigen Belagerung“ des Gazastreifens ist das jüngste Beispiel dieser Tragödie. Gallant erklärte: „Ich habe den Befehl zur vollständigen Belagerung des Gazastreifens gegeben. Es wird keinen Strom, keine Nahrung und keinen Treibstoff geben, alles ist geschlossen.“ Diese Politik, die Zivilisten von lebensnotwendigen Gütern abschneidet, zeigt einen erschreckenden Grad an Unmenschlichkeit. Solche Äußerungen und Handlungen erinnern an den Völkermord während des Bosnienkrieges in den 1990er Jahren. Damals blieb ein Großteil der internationalen Gemeinschaft ebenfalls stumm angesichts der Gräueltaten gegen die bosnischen Muslime. Tausende wurden getötet, Massengräber entdeckt und Städte zerstört. Die internationalen Organisationen und Staaten versuchten erst Jahre später, ihre Schweigsamkeit durch die Erklärung von Gedenktagen für das Massaker von Srebrenica wiedergutzumachen. Aber diese Gedenktage bringen die Toten nicht zurück und lindern nicht das erlebte Leid.
Lehren für die Zukunft
Das Geschehen in Gaza deutet auf eine ähnliche Zukunft hin. Israels Angriffe zielen auf Zivilisten und verhindern humanitäre Hilfe. Dies führt zu einer großen humanitären Krise in der Region, und die internationale Reaktion bleibt erneut unzureichend. Der Vorwurf von EU-Außenpolitikchef Joseph Borrell, Israel behindere Hilfslieferungen und schließe Grenzübergänge für wichtige Güter, verdeutlicht die Hilflosigkeit und Ineffektivität der internationalen Gemeinschaft in dieser Angelegenheit.
Die menschliche Tragödie, die sich heute in Gaza abspielt, wird in Zukunft ebenfalls Gedenktage für die Palästinenser erfordern. Solche Gedenktage können jedoch nur sinnvoll sein, wenn sie dazu dienen, vergangene Fehler anzuerkennen und sicherzustellen, dass sie sich nicht wiederholen. Das Schweigen der internationalen Gemeinschaft zu den Menschenrechtsverletzungen in Bosnien und Gaza schafft die Voraussetzungen für das Wiederauftreten solcher Tragödien.
Die Situation in Gaza zeigt erneut die Inkonsistenzen und Unzulänglichkeiten der internationalen Gemeinschaft in Menschenrechtsfragen auf. Solche Ereignisse hinterlassen einen dunklen Fleck in der Geschichte der Menschheit, und die Erklärung von Gedenktagen in der Zukunft wird das erlebte Leid nicht lindern. Die internationale Gemeinschaft muss entschlossener und wirksamer in Gaza intervenieren. Andernfalls ist das erneute Auftreten solcher Tragödien unvermeidlich. Die Welt braucht keine neuen Gedenktage, sondern das Ende der Ereignisse, die solche Gedenktage erforderlich machen. Es gibt bereits genug Tage, die an schmerzvolle Ereignisse erinnern. Die Tragödie in Gaza muss so schnell wie möglich beendet werden. Internationale Organisationen und Staaten müssen umgehend handeln und die leidvolle Situation in Gaza beenden.