Archiv: Erdoğan und Trump / Foto: AA (AA)
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Die Fotos des blutverschmierten Donald Trump, der vor dem Hintergrund der US-Flagge seine Faust gen Himmel streckt, sind in den vergangenen Tagen um die Welt gegangen. Vielleicht wird dieses Bild den Sieg von Trump über den Präsidentenkandidaten der Demokraten einläuten.

Trump hat nicht nur ein Attentat überlebt. Er hat vorher schon zwei Amtsenthebungsverfahren, Anschuldigungen und Gerichtsprozesse überstanden. Man konnte ihm nicht nachweisen, dass der Sturm aufs US-Kapitol von ihm befohlen wurde.

Trump wirkt nach dem fast tödlichen Angriff auf ihn stärker als je zuvor. Es hört sich verrückt an: Viele Anhänger verehren ihn als Auserwählten, lebenden Märtyrer, Messias, Heilsbringer. Aber so sind die USA. Trump könnte nun Opfer und Held zugleich werden. Seine Zustimmungswerte könnten sich durch das Attentat vervielfachen.

Trump im Visier des „Establishment“?

Im Raum steht auch eine andere Vermutung: Könnte jemand Interesse daran haben, eine erneute Rückkehr Trumps ins Weiße Haus mit „allen(!)“ Mitteln zu verhindern? Könnte es, wie Trump-Anhänger mutmaßen, das „Establishment“ sein, das sich vor einem Isolationismus fürchtet? Unter den Trump-Anhängern gibt es viele, die nicht gerade als Globalisierungsanhänger und Bewunderer der NATO gelten. Manche von ihnen werden als rechtsradikal oder Verschwörungstheortiker bezeichnet.

In den USA gibt es eine verheerende Tradition von Attentaten auf Politiker. Es mag stimmen, dass Regierungen in den USA nicht durch Putsche gestürzt werden, aber dafür gibt es wohl keinen anderen als demokratisch definierten Staat auf der Welt, wo so viele Politiker, Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten durch gewalttätige Angriffe ermordet wurden als in der sogenannten Vorzeigedemokratie.

Erdoğan hofft auf bessere Beziehungen nach US-Wahl

Direkt nach dem Angriff auf Trump verurteilte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Tat aufs Schärfste und übermittelte seine Genesungswünsche. Präsident Erdoğan betonte, dass Türkiye dem befreundeten und verbündeten US-amerikanischen Volk zur Seite stehe. Er äußerte zudem seine Hoffnung, dass das Attentat keine Schatten auf die US-Wahl oder gar auf die internationale Stabilität werfen wird.

Nur wenige Tage nach dieser ersten Reaktion folgte ein Telefonat zwischen Erdoğan und Trump. Laut einer Erklärung des türkischen Kommunikationsamts sagte Erdoğan, dass Trumps mutige Haltung nach dem Anschlag bewundernswert sei, auch mit Blick auf die Fortsetzung seines Veranstaltungskalenders.

Erdoğan bezeichnete das Attentat demnach als einen „Angriff auf die Demokratie“. Er habe Trumps Haltung nach dem Anschlag gelobt und sich optimistisch gezeigt, dass die für November 2024 angesetzte US-Präsidentschaftswahl die türkisch-US-amerikanischen Beziehungen positiv beeinflussen werde.

Beziehungen zwischen USA und Türkiye sind ausbaufähig

Die Beziehung zwischen Türkiye und den USA sind nach der Amtszeit von Trump weiter abgekühlt. Seit Joe Bidens Amtsantritt gab es keinen offiziellen Staatsbesuch beider Präsidenten. So gab und gibt es nach wie vor mehrere Streitthemen zwischen beiden Staaten.

Ankaras Blockade der NATO-Erweiterung um Schweden hatte in Washington für Empörung gesorgt. Dieser Konflikt scheint nun durch das grüne Licht aus Ankara beigelegt. Aber Washington blockiert nach wie vor einige Rüstungsgeschäfte, auch wenn es bei der Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen zuletzt eine Annäherung gab. So wird Türkiye weiterhin aus dem F-35-Projekt ausgeschlossen, auch ein möglicher Verkauf der neuen Kampfjets über Drittstaaten wird verboten.

Als Grund wird der Erwerb der russischen S-400-Luftabwehrsysteme durch Türkiye angegeben. Der Deal mit Russland ging aus einem akuten Bedarf zur Sicherung der nationalen Sicherheit hervor, weil Türkiye von seinen NATO-Verbündeten keine gleichwertigen Patriot-Abwehrraketen erhalten hatte.

Problematische Kooperationspartner der USA

Nicht zuletzt verspielten die USA ihr Vertrauen bei ihren türkischen Partnern durch ihre Zusammenarbeit mit den PKK-Ablegern in Syrien, die dort unter verschiedenen Bezeichnungen agieren. Am bekanntesten sind die Kürzel YPG/PYD. Die Schwesterorganisation der Terrorgruppe PKK wird seit Jahren mit schweren Waffen gerüstet. Ankara sieht darin eine berechtigte Bedrohung für die eigene Sicherheit.

Auch der Umgang der USA mit der Fetullahistischen Terrororganisation (FETÖ), die in Türkiye für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird, untergräbt die Annäherung der beiden NATO-Partner zueinander.

Ein weiterer Konflikt ist die bedingungslose Unterstützung der israelischen Regierung durch die USA. Türkiye wirft den USA und anderen westlichen Verbündeten „Beihilfe zum Völkermord“ in Gaza vor. Eine beträchtliche Menge an Waffen und Munition, die im Gaza-Krieg Verwendung finden und für den Tod von tausenden Kindern und unschuldigen Zivilisten verantwortlich gemacht werden, kommt aus diesen Staaten. Türkiye fordert die USA deutlich auf, das israelische Kriegskabinett von einem Waffenstillstand zu überzeugen.

Win-win-Situationen sind möglich

Ein weiterer Punkt, der die bilateralen Beziehungen nicht gerade fördert, ist das persönliche Verhältnis zwischen den beiden Präsidenten. Es ist zwar wahr, dass die Politik durch die langfristigen Interessen von Staaten bestimmt wird. Doch persönliche Beziehungen oder Freundschaften in der Diplomatie können die Spielräume erheblich erweitern und für mehr Win-win-Situationen sorgen.

Wenn man sich die Freundschaften zwischen Angela Merkel und François Hollande oder Nicolas Sarkozy anguckt – oder die Zusammenarbeit und das Miteinander von Gerhard Schröder, Recep Tayyip Erdoğan und Silvio Berlusconi vergegenwärtigt, sieht man, dass es in der interessengeleiteten Politik auch Raum für persönliche Freundschaften gibt. Wenn die Chemie in der Politik stimmt, kommt man auch in Sachfragen schneller weiter.

Auf der persönlichen Ebene hat es nicht „gefunkt“

Biden war schon vor seiner Amtszeit ein bekennender Kritiker Erdoğans und sprach sich sogar für einen Sturz des türkischen Präsidenten aus. Er hatte im Dezember 2019 in einem Video-Interview mit der New Work Times gesagt, dass man in Bezug auf den türkischen Präsidenten, den er einen „Autokraten“ bezeichnete, einen „ganz anderen Ansatz“ verfolgen müsse. Man müsse „klarmachen, dass wir die Oppositionsführung unterstützen“.

Die USA müssten die Opposition stützen, damit sie in der Lage sei, die Regierung „zu übernehmen und Erdoğan zu besiegen“ – vielleicht „nicht durch einen Putsch, aber durch einen Wahlprozess“.

Im Endeffekt hat es zwischen Biden und Erdoğan nie wirklich „gefunkt“. So wurde auch der geplante erste Staatsbesuch von Erdoğan in den USA Mitte dieses Jahres kurzfristig abgesagt.

Labilität und Wankelmut von Trump bergen Eskalationspotenzial

Es ist kein Geheimnis, dass die erneute Wahl von Trump zum US-Präsidenten den festgefahrenen Beziehungen zwischen Türkiye und den USA neuen Schwung verleihen würde. Die Präsidentschaftswahl wird auch zeigen, ob in den USA der Isolationismus oder der Interventionismus die Oberhand gewinnt.

Trump gibt sich zwar immer wieder als „Friedensengel“ aus: er sagt beispielsweise, er stehe klar für einen Rückzug aus den Konflikt- und Kriegsregionen. Ob das aber wirklich so ist, werden wir in den kommenden Jahren sehen, falls Trump gewählt wird. Die Unberechenbarkeit und Labilität des ehemaligen und möglicherweise künftigen US-Präsidenten bergen allerdings auch Eskalationspotenzial.

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